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Kultur: Meg Stuart tanzt mit Appetit

Mit "Disfigure Study" betrat Meg Stuart 1991 die internationale Tanzszene, ihre von Lichtspots zerstückelten Körperbilder erinnerten an Gemälde von Francis Bacon. Die Amerikanerin, die sich mit ihrer Kompanie Damaged Goods in Brüssel angesiedelt hat, wurde schnell zur Choreographin der Neunziger ausgerufen.

Mit "Disfigure Study" betrat Meg Stuart 1991 die internationale Tanzszene, ihre von Lichtspots zerstückelten Körperbilder erinnerten an Gemälde von Francis Bacon. Die Amerikanerin, die sich mit ihrer Kompanie Damaged Goods in Brüssel angesiedelt hat, wurde schnell zur Choreographin der Neunziger ausgerufen. Verstörend wirken ihre Arbeiten durch die Radikalität, mit der der Körper zerlegt wird. Meg Stuart gilt als Philosophin der Performance-Bühne. Tief setzt sie die Schnitte an, markiert die Bruchstellen: Die fragmentierte Gestalt verweist auf eine brüchige Identität, der verletzliche Körper auf eine beschädigte Seele. "Ich habe eben meine Obsessionen."

Kaum dass sich Meg Stuart zu solch einem Statement hinreißen läßt, bricht sie auch schon in ein unbeschwertes Lachen aus. Die Amerikanerin, die in ihren Produktionen die Nachtseiten der modernen Existenz erkundet, ist keine umdüsterte Erscheinung, im persönlichen Kontakt ist sie eher zurückhaltend. In Berlin war von Meg Stuart zuletzt "Swallow My Yellow Smile" zu sehen, ein Auftragswerk der Deutschen Oper, das gemeinsam mit dem bildenden Künstler Via Lewandowsky realisiert wurde. Der bildenden Kunst fühlte Meg Stuart sich schon immer näher als dem choreographischen mainstream, hier traf sie auf einen verwandten Blick auf den Körper, eine ähnliche Sensibilität. Für den Zyklus "Insert Skin" lud sie bildende Künstler zur Zusammenarbeit ein. Mit "appetite", dem Abschluss dieser Tetralogie, wird heute das Festival "Tanz im August" eröffnet.

"Appetite" erarbeitete sie gemeinsam mit der Amerikanerin Ann Hamilton, die bei der diesjährigen Biennale in Venedig den amerikanischen Pavillon gestaltet hat. Für Meg Stuart, die begierig ist, andere Einflüsse aufzunehmen, markiert diese Arbeit eine Schritt in eine neue Richtung. "Appetite" sei ein sehr warmes, helles, verspieltes Stück, erläutert Meg Stuart. Doch die Choreographin, deren Stücke stets von Deformation und Entstellung, von Trennung und Isolation handeln, schränkt sogleich ein: "Diese Spiele stehen auf der Kippe, drohen in absurde Rituale umzuschlagen." Der ockerfarbene Tonfußboden, den Ann Hamilton entworfen hat, trocknet während der Vorstellung, platzt auf. Die Tänzer hinterlassen Spuren auf dem rissigen Grund, werden von ihm "gezeichnet. Der Boden sei wie eine atmende Haut, so Stuart. "Unsere Gespräche kreisten um Haut und Berührung, Körper und Raum stellten wir uns als Membrane vor. Wir stießen auf den Wunsch, absorbiert und einverleibt zu werden, wir sprachen über das Verlangen, in die Haut eines anderen zu schlüpfen." Ungewöhnlich ist nicht nur die stark soziale Komponente der Arbeit; was "appetite" vor allem auszeichnet, ist seine haptische Qualität.

Während die Arbeiten von Meg Stuart sonst von Berührungstabus handeln, werden diesmal alle möglichen Formen von physischem und sozialen Kontakt durchdekliniert. Der Wunsch zu berühren und zu be-greifen umfasst den anderen Körpern wie das Objekt. Der Körper wird Meg Stuart auch in Zukunft nicht loslassen. Zur Zeit beschäftigt sie sich mit dem Thema Klonen und liest Bücher zu Dr. Frankenstein.

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