Finanzskandal ums Burgtheater: Matthias Hartmann rechtfertigt sich im "Spiegel"
Der geschasste Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann schildert nun auf sechs Seiten im aktuellen "Spiegel" seine Sicht der Dinge. Seine These: Er war der korrekte Piefke, den der balkanisch organisierte Wiener Sumpf verschlang.
Wäre diese Geschichte ein Roman, man würde ihn kopfschüttelnd zur Seite legen. Viel zu konstruiert! Absolut unmöglich in heutigen Zeiten! Diese Geschichte aber spielt in der Realität. Es ist die Story von Matthias im Glück, einem 1963 in Osnabrück geborenen Regisseur namens Hartmann, der sich über Bochum und Zürich ans Wiener Burgtheater hochgearbeitet hat.
Doch der Intendantensessel wird ihm zum Schleudersitz, am 11. März enthebt der österreichische Kulturminister Josef Ostermayer Matthias Hartmann seines Amtes. Der Vorwurf: Er soll, wie berichtet, Mitverantwortung am Finanzdebakel der Bühne tragen. Obwohl der Staat jährlich 47 Millionen Euro Subventionen überweist, sollen bei der Burg Verbindlichkeiten in Höhe von 16 Millionen Euro aufgelaufen sein.
Auf sechs Seiten rechtfertigt sich der Regisseur jetzt im „Spiegel“. Er hält sich für unschuldig, klagt auf Wiedereinstellung oder auf Auszahlung entsprechend seinem bis 2019 laufenden Vertrag. Denn, so Hartmann, um die Machenschaften hinter den Wiener Kulissen zu verstehen, müsse man ein „Balkan-Versteher“ sein. Auf jeden Fall kein Norddeutscher.
Es sei ihm schon merkwürdig vorgekommen, dass Silvia Stantetsky, die bereits im Winter suspendierte kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters, partout nicht den bad guy bei ihm hatte spielen wollen. So verhält es sich nämlich sonst im Theateralltag: Der Intendant hat hochfliegende Pläne, der Kassenwart stutzt ihm die Flügel. Um jeden Cent muss der Künstler mit dem Buchhalter ringen. An der Burg war es genau andersherum. Was Hartmann auch forderte, stets hörte er: Das passt schon. Da Stantetsky für das Theater lebte, bei allen beliebt war und als „Mutter der Kompanie“ galt, machte Hartmann sie zu seiner Stellvertreterin.
Obwohl niemand ihre Budgetjonglage verstand. Viel wurde da mit rätselhaften Bargeldentnahmen und -einzahlungen gearbeitet, Abschreibungszeiträume für Investitionen verlängerten sich, obwohl die Bühnenbilder der Produktionen längst verschrottet waren, und für Gäste des Hauses gab es die Möglichkeit, ihre Gagen steuerfrei einzulagern.
Hartmann unterstellt dem Wiener Kulturbetrieb Korruption.
Weil aber am Ende immer eine schwarze Null unter der Jahresabrechnungen stand, hielten alle still, die interne Revision der Bundestheaterholding, die Aufsichtsräte, die Wirtschaftsprüfer. Nur er, der rechtschaffene Piefke, habe immer wieder Transparenz verlangt, erklärt Hartmann. Mit seinem preußischen Korrektheitsfimmel habe er die Gremien wie die Verwaltung genervt, ja sogar einen externen Fachmann hinzugezogen, Peter Raddatz, den ehemaligen Chef der Berliner Opernstiftung.
Besser wäre es wohl gewesen, sagt Hartmann heute, einen „levantinisch geschulten Strategen“ anzuheuern. Damit unterstellt er, dass der Wiener Kulturbetrieb von korrupten Amigo-Typen beherrscht wird, die alle unter einer Decke stecken.
Hartmann hält sich für den Besten, er hat mit seinen Inszenierungen die Bude gefüllt – ein Mann, der übers Wasser laufen kann. Gegen den Sumpf in der österreichischen Hauptstadt aber war er nach eigener Darstellung machtlos. Jetzt wollen seine Anwälte zwei Millionen Euro herausholen. „Wichtiger aber als das Geld wäre mir meine Rehabilitation.“ Die aber ist wohl nur mit viel Wiener Blut zu haben, durch einen, der keine Angst hat, sich die Hände schmutzig zu machen. Zum Beispiel einen Minister, der zum Augiasstall-Ausmister mutiert.
Vielleicht hätte der Herr Burgtheaterdirektor mal bei den Berliner Philharmonikern anrufen sollen. Die können ihm einiges darüber erzählen, wie der Filz in Österreich funktioniert. Mafiöse Mauscheleien im Hinterzimmer ermöglichten einst auch bei den Salzburger Osterfestspielen ein geschlossenes System der Scheinkontrolle. So wurde das Orchester um Millionen geprellt. Der Prozess läuft noch. Und die Philharmoniker sind mit ihrem Frühjahrsfestival nach Baden-Baden umgezogen.
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