DSO und Rias-Kammerchor spielen Berlioz: Maria und Joseph on Tour
Das Deutsche Symphonie-Orchester und der Rias-Kammerchor führen Berlioz’ Jesus-Oratorium auf.
Wollen wir den König Herodes im Nachthemd sehen? Auf der Bühne der Philharmonie muss er das Bett hüten, ein opulentes Federbett, worin liegend ihn – „Toujours ce rêve!“ – immer wieder dieser Traum quält: Ein Kind wird ihn entthronen. Eine ausdrucksvolle Arie singt der britische Bariton Christopher Purves in der Rolle des Herodes, der hin- und herrennt, bevor er in wildem Ton den Bethlehemitischen Kindermord beschließt. Anschließend legt er sich wieder unter die Bettdecke und schläft ein.
Ein musikalisches Highlight bringt das Deutsche Symphonie-Orchester mit seinem neuen Chefdirigenten Robin Ticciati und dem Rias-Kammerchor zur Aufführung: die geistliche Trilogie „L’enfance du Christ“ von Hector Berlioz. Vor und auf den Podiumplätzen sitzt das Orchester, während der so geschaffene Freiraum als Bühne okkupiert wird. Dem „Traum des Herodes“ folgt „Die Flucht nach Ägypten“, und ein rührender dritter Teil umschreibt Maria und Joseph auf der Suche nach einer Herberge und als Gäste eines ismaelitischen Hausvaters. Der nimmt das Paar freundlich auf und bewirtet es sogar mit Musik. Berlioz hat den Text dieser biblischen Handlung selbst geschrieben. Die Musik ist archaisch gehalten, da sie von einem Hirtenchor im Stil alter Meister ausgeht, den der Komponist ursprünglich als ein Werk aus dem Jahr 1679 angekündigt hat. Opernhaft und poetisch mit Kammermusik entfaltet die Partitur ihre eigene Faszination. Die weiß Ticciati sprechen zu lassen, vom eleganten Pizzikato der Bässe an.
Die Inszenierung ist leider schwer zu ertragen
Leider hat sich die irische Schauspielerin Fiona Shaw dazu eine Inszenierung ausgedacht, die schwer erträglich ist. Zunächst ein Raumkonzept: Von oben herab weist der Erzähler, ein Nachfolger der Evangelisten im Oratorium, auf das neugeborene Kind in der Krippe hin. Ein kleines Theaterkind in weißem Hemdchen verkörpert niedlich das heranwachsende Jesuskind, treppauf, treppab eilend. Langsamer und beladen mit Gepäck klettert auch die Heilige Familie auf Scharouns Weinbergen herum, das Thema ist Flucht. Es ist ein haarsträubendes Krippenspiel, das nach dem Herodes-Präludium von den Darstellern Marias und Josephs zu absolvieren ist. Dass es dergleichen Staubtheater heute noch gibt!
Permanent müssen die armen Eltern ihr Wickelkind herzen, einen Puppenbalg, den sie als neugeborenes Christkind herumschleppen. Trotzdem entfaltet das Sängerpaar (Sasha Cooke und Jacques Imbrailo) klingende Kantabilität in seinen feinen Duetten. Der Rias-Kammerchor wird als beteiligtes Kollektiv auf der Bühne herumgeführt und siegt im Finale.
Gegen die Regie regen sich hier und da Unmutszeichen im Publikum. Am Ende bleiben sie aus unter dem stürmischen Beifall, weil die Musik mit Pastoralton, Fugato, Kolorit und Harfenklang so eindringlich bezaubert. Christopher Purves, vormals Herodes, singt nun lyrisch den gütigen Familienvater, Allan Clayton den Erzähler mit tenoraler Melodie. Der Rias-Kammerchor verabschiedet sich und das Werk a cappella. Im Schatten des Krippenspiels aber hält das DSO einen Triumph parat: Kornelia Brandkamp, Frauke Leopold und Elsie Bedleem beglücken mit dem Trio für zwei Flöten und Harfe.