Graphic Novel: Männer weinen heimlich
Literarisch, elegant, voll trauriger Komik: „Miller & Pynchon“ ist eine der schönsten Comicerzählungen des Jahres.
Ein der Poesie zugeneigtes Kanalkrokodil namens Hoffmann, ein liebestoller Landvermesser, der bei Vollmond zum Werwolf wird, und ein schwermütiger Astronom mit Mutterkomplex, der in Gedanken immer wieder seiner verstorbenen Frau begegnet, die einst einem außer Kontrolle geratenen gigantischen Käselaib zum Opfer fiel.
Das ist das Personal einer der schönsten und elegantesten Comicerzählungen dieses Jahres, „Miller & Pynchon“ aus der Feder des Wiener Künstlers Leopold Maurer.
Der 40-jährige studierte Soziologe, Maler und Grafiker erzählt darin mit einfühlsamem Humor von der Odyssee zweier eigenbrötlerischer Kauze, die das Schicksal als Landvermesser zusammengebracht hat. Sie vermessen eine nicht näher definierte Demarkationslinie in einem unbenannten Land – Anlass für eine klar und sachlich gezeichnete, doch inhaltlich mit vielen absurden Elementen gespickte Entdeckungsreise der beiden Protagonisten zu sich selbst.
Scheinen die beiden Männer anfangs kaum mehr als ihre eintönige Vermessungsaufgabe im Kopf zu haben, entfaltet sich nach und nach ein komplexes Drama um die beiden traurig-komischen Gestalten, von denen jede auf ihre Weise unfähig ist, mit anderen Menschen in ernsthaften Kontakt zu treten.
Mit einem Witz, der mal an Becketts „Warten auf Godot“ erinnert und mal an Volker Reiches "Strizz"-Strips, schildert Leopold Maurer eine von teilweise surrealen Wendungen geprägte Odyssee, in deren Verlauf Miller und Pynchon sich durch menschenleere Regionen schlagen, in Eishöhlen mysteriöse Reliquien entdecken, nach einem Scherz zweier Flirtpartnerinnen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Gefängnis landen und am Schluss für einen Sonderauftrag nach Südafrika abkommandiert werden, wo das Drama auf einen absurden Höhepunkt zusteuert.
Unterwegs entfalten sich fantastische Nebenhandlungen, die Maurer mit schlichtem Strich und literarischem Ton erzählt. So wird der hormongesteuerte Miller, der nicht zufällig den gleichen Namen trägt wie der für seine expliziten Sexdarstellungen bekannte Schriftsteller, unfreiwillig Teil einer Familienzusammenführung: Eines Tages begegnet ihm sein ihm bis dahin unbekannter Sohn – der mit ihm ein tragisches Schicksal teilt, was die beiden auf der von da an gemeinsam unternommenen Reise aber eher noch mehr entfremdet als verbindet.
Und der schwermütige Pynchon - auch hier ist es kein Zufall, dass sein Name dem des geheimnisumrankten amerikanischen Schriftstellers gleicht, der in seinem Werk immer wieder das Thema der ziellosen Suche aufgreift – wird in seinen Tagträumen trotz mannigfaltiger Verdrängungsversuche immer wieder von den beiden Frauen besucht und in seiner Schwermut bestätigt, die sein bisheriges Leben prägten: Seine Mutter und seine verstorbene Frau. So kann es passieren, dass jeder der beiden Hauptfiguren sich in einsamen Nächten die Seele aus dem Leibe heult, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise.
Leopold Maurer: Miller & Pynchon, 170 Seiten, 21 Euro. Dieses Meisterwerk der Comickunst ist erschienen im Wiener Luftschacht-Verlag, der in letzter Zeit gleich eine Handvoll für anspruchsvolle Comicleser empfehlenswerter Werke veröffentlicht hat. Mehr dazu in Kürze auf den Tagesspiegel-Comicseiten. Leopold Maurers Website findet sich hier.
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