Science Fiction-Comic „Valerian und Veronique“: Manchmal kommen sie wieder
Eine Reise zu sich selbst – in Manu Larcenets Valerian-Hommage „Die Rüstung des Jakolass“ sucht eine in die Jahre gekommene Serie ihre Identität.
Dem Trend, populäre Comics neu zu interpretieren, gehorchten bereits Reihen wie „Spirou“ und „Lucky Luke“. Von der Balance zwischen Innovation und Traditionswahrung hängt hier viel ab; Letztere ist im Hinblick auf die alteingesessene und oft kaufkräftige Leserschaft ein besonders wichtiger Faktor.
Dass sowas auch gnadenlos in die Hose gehen kann, zeigen die Neuinterpretationen von „Harry und Platte“ im Spin-Off „Schock“ oder die Reihe „Suske und Wiske“. Hier wurden die vormals auf ein jugendliches Publikum ausgerichteten Comicreihen in ein bluttriefendes Kleid gezwängt, welches im Fall von „Schock“ vor sensationsheischenden und dramaturgisch unsinnigen Darstellungen sexueller Gewalt als Stoffmuster nicht Halt machte.
2011 erreichten diese Wiederbelebungsverfahren die langlebige Science Fiction-Serie „Valerian und Veronique“; das Ergebnis liegt nun in deutscher Sprache vor. Ähnlich den Frischzellenkuren für „Micky Maus“, vorgenommen durch große Namen wie Cosey oder Lewis Trondheim, spekuliert man hier, anders als beispielsweise in der „Spirou Spezial“-Reihe, auf den Kontrast zwischen Material und bearbeitendem Künstler – was im Fall von „Spirou“ übrigens nicht falsch sein muss, da die reguläre Reihe sich schon häufiger an von vielen Stammlesern als unpassend empfundenen stilistischen Wechseln versucht hat.
An das Morgen erinnern fällt nicht schwer, an den Tag zuvor dagegen sehr
Manu Larcenet, oft zwischen Verzweiflung und Nihilismus pendelndem Drama verortet, siehe „Blast“ oder „Le Report de Brodeck“, ist da keine schlechte Wahl. Dass er zu davon abweichenden stilistischen Leistungen fähig ist, zeigt beispielsweise „Die wundersamen Abenteuer von Sigmund Freud“ von 2002, dessen Cover entfernt Motive seiner Zeichnung für das „Valerian“-Titelbild vorwegnimmt.
„Die Rüstung des Jakolass“, dass den Auftakt zu weiteren Valerian-Variationen bilden soll, bisher aber der einzige Titel innerhalb der „Valérian, vu par...“ betitelten Reihe ist, erreicht durch das Verfremden essenzieller Topoi der Serie wie dem Raum-Zeit-Sprung – hier jedoch nicht in ferne Welten, sondern in Alkoholikerexistenzen – und dem Einsatz putziger Winzaliens mit Affinität zum Jüngsten Gericht ein dem angestrebten Ziel der Ausbalancierung angemessenes Resultat.
Die schwer in Valerians Arbeitskollegin und spätere Partnerin Veronique verschossenen kleinen Außerirdischen namens Shinguz spielten im zweiundzwanzigsten und letzten Band der regulären Serie ebenfalls eine, wenn auch geringfügigere Rolle als launige Kommentatoren. Betitelt als „Souvenirs der Zukunft“ wies dieser, wie sein Inhalt, auf die kreativen Erschöpfungszustände der Valerian-Schöpfer Jean-Claude Mézières und Pierre Christin hin und rekapitulierte, von einer Rahmenhandlung notdürftig zusammengehalten, lediglich große Momente der im November 2017 seit fünfzig Jahren erscheinenden Serie um die beiden Agenten des Raum-Zeit-Service. Zugegebenermaßen geschah dies in oft beeindruckenden und über zwei Seiten reichenden Panoramabildern, welche sich zum Teil eher Techniken der Malerei als dem gewohnten Zeichenstil in den Comics verwandt zeigten. Zumindest diesen visuellen Aspekt nutzt Larcenet mitunter, besonders schön zu beobachten im zentralen Panel der neunten Seite, um das folgenschwere Resultat von Rissen in der Atomstruktur zu demonstrieren. Die oft gedeckt gehaltene Farbgebung bewirkt einen melancholischen Grundton, wie es der Erinnerung an eine einst großen Serie angemessen scheint. Diese besorgte allerdings nicht Larcenet selbst, sondern Jeff Porquié.
Ey Mann, wo is’ mein Körper?
Die Handlung um des seines ursprünglichen Erscheinungsbildes verlustig gegangenen Valerians, der zudem noch einige Prüfungen bestehen muss, um dieses wiederzuerlangen, lässt sich als Subtext auf den Sinn und Zweck derartiger reanimierender Bestrebungen lesen. Die Tradition der Kritik an reaktionären Ausformungen von Gesellschaften wird fortgeführt, erscheint hier aber durch deren konkrete Verbalisierung plakativ implementiert. Wäre sie aus der eigentlichen Handlung ablesbar und erfahrbar gewesen, verlöre „Die Rüstung des Jakolass“ im direkten Vergleich mit dem als wohl gelungenstem Beispiel der Reboot-Gattung zu wertenden „Spirou Spezial“-Band von Emile Bravo nicht nach Punkten. Allgemein ist dem Werk aber eine den ursprünglichen Geist der Reihe belebende und zudem unterhaltende Attitüde zu attestieren.
Lediglich die Menge an Gastauftritten von anderen Comicschaffenden in Persona im Verlauf der Geschichte ist, unter seriellen Aspekten betrachtet, noch nie ein gutes Omen gewesen: Derartige Gäste tauchen zum Beispiel in einst erfolgreichen TV-Serien stets proportional zum gleichzeitigen Abstieg in der Publikumsgunst auf.
Die angrenzenden Themenbereiche, warum Valerian keine Graphic Novel ist, Laureline in Deutschland immer noch „Veronique“ heißen muss, die oft kolportierte Aussage über „Valerian" als Vorlage für „Star Wars“ nicht wirklich Sinn macht und Luc Bessons Verfilmung dem Trailer nach zu urteilen den Geist des Comics nicht verstanden hat, werden dann eventuell irgendwann einmal in einem anderen Text behandelt.
Manu Larcenet: Valerian und Veronique Spezial 1: Die Rüstung des Jakolass, Carlsen, 56 Seiten, 12,00 Euro
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