Ausstellung zur Kunst der Medici in Paris: Maler der Macht
Wie man mit Bildern die eigene Herrschaft legtimiert: Die kleine, feine Ausstellung „Florenz – Porträts am Hofe der Medici“ in Paris.
In Florenz die Malerei der florentinischen Renaissance zu besichtigen ist nicht immer leicht – beständig sind Hauptwerke aus den Uffizien und den anderen, kaum minder reichen Museen der Stadt auf Reisen. So auch derzeit. Um einen konzentrierten Überblick über die Porträtmalerei des 16. Jahrhunderts zu erlangen, empfiehlt sich eine Reise nach Paris. Das Musée Jacquemart-André – eine der zahlreichen, auf eine private Stiftung zurückgehenden Institutionen der französischen Hauptstadt – leistet mit seiner Ausstellung „Florenz – Porträts am Hofe der Medici“ etwas, was nicht einmal die berühmte „Tribuna“, jenes kostbare Oktogon innerhalb der Uffizien, so materialreich bieten kann, nämlich einen Überblick über die zu Zeiten der Medici- Fürsten wichtigste Gattung, die des Porträts. Dazu bedurfte es zahlreicher Leihgaben, unter anderem aus Prag oder dem amerikanischen Newark, die für sich genommen zu den Höhepunkten der jeweiligen Museen zählen mögen, ihre ganze Bedeutung jedoch erst im Zusammenspiel mit anderen Arbeiten darlegen.
Die Ausstellung in den intimen Räumen des als Privatpalais erbauten Pariser Hauses kreist um drei Hauptfiguren: an erster Stelle Fürst Cosimo I., der mit seiner langen Regierungszeit (1537–1574) nicht nur das 16. Jahrhundert in Florenz prägte, sondern auch die Linien zog, entlang derer sich das noch unter ihm zum Großherzogtum erhobene Land fürderhin bewegen sollte. An zweiter, in der Ausstellung naturgemäß jedoch sichtbarster Stelle steht der Künstler Agnolo Bronzino (1503–1572), der die Porträtmalerei auf eine kaum je erreichte Höhe der Wirklichkeitswiedergabe geführt hat. Und an dritter Stelle, dem Besucher verborgen, aber hinter den Kulissen des Medici-Hofes die Fäden der kulturellen Selbstdarstellung ziehend, wäre Giorgio Vasari zu nennen, der wegen seiner „Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten“ von 1550/1568 durch die Jahrhunderte hindurch bekannt blieb, tatsächlich aber ein Kulturmanager höchsten Ranges war. Und ein Künstler zudem, den als zweitklassig zu schmähen seit jeher Usus ist, was allein schon sein in Paris gezeigtes Porträt des ersten Medici-Herzogs Alessandro von 1534 widerlegt. Es gilt, die Eigenart des frühen 16. Jahrhunderts gegenüber der vorangehenden Hochrenaissance zu verstehen.
Am Hof Cosimos herrschte kein Manierismus, sondern ein harter, kalter Naturalismus
Es ist das Jahrhundert des Manierismus. Die „maniera“, genauer: „maniera moderna“, von der sich der Begriff ableitet, meint die Höhe des Kunstkönnens, die Raffael und Michelangelo erklommen hatten und die nun – Vasari zufolge – nicht mehr übertroffen werden konnte. Dem Manierismus in seinen fantastischen Ausprägungen – man denke an den Raffael-Schüler Giulio Romano – steht allerdings der harte, geradezu kalte Naturalismus gegenüber, den die Porträtmalerei am Hofe Cosimos zum Ideal erkor.
Keines der fürstlichen Bildnisse ist aus rein künstlerischem Antrieb entstanden. Wie kaum sonst, wie nicht einmal am Hofe der Habsburger dienten die Gemälde der Legitimation der Herrschaft. Cosimo, dem die Geschichte seiner Vorfahren mit ihren zahlreichen Mordopfern stets vor Augen stand, suchte seine ihrer selbst unsichere und darum umso härter ausgeübte Herrschaft unablässig zu rechtfertigen. Was für die damalige Zeit nicht die heute darunter verstandene Zustimmung der Beherrschten bedeutete, sondern die Anerkennung im Kreise der europäischen Fürsten, von denen manch einer ein Auge auf die wohlhabende Toskana werfen mochte. So mussten die Bildnisse einen entschlossenen Herrscher, von keines Gedankens Blässe angekränkelt, die Unwandelbarkeit seines Regiments bezeugen. Hier ist in erster Linie Bronzinos Porträt des Herzogs in schimmernder Rüstung zu nennen, von dem eine der zahlreichen Versionen der 1540er Jahre in Paris gezeigt wird. Gleich danach folgen die Heerführer – etwa das Porträt des Stefano Colonna, ebenfalls von der Hand Bronzinos. Colonna war ein typischer Condottiere, der nach Belieben und Bezahlung die Seiten wechselte und sogar für die florentinische Republik gekämpft hatte, ehe er beim siegreichen Medici-Usurpator ein besseres Auskommen fand.
In den Kinderbildnissen blitzt ein Lebenwollen jenseits der höfischen Etikette auf
Sodann gibt es die Ansichten des „guten Fürsten“, ergänzt um Porträts der unzweifelhaft tugendhaften Gattin und der Kinder, die das Fortleben der Dynastie sowie dessen Verankerung im Geflecht der europäischen Aristokratie sichern. Doch auch aus dem Bildnis der Eleonore von Toledo, Tochter des Vizekönigs von Neapel und damit väterlicherseits dem engsten Kreis um Kaiser Karl V. zugehörig, weht den Betrachter die Kälte des Hofes und seiner strategisch arrangierten Eheschließungen an. Anders zum Glück in den Kinderbildnissen. Zwar steht die Entdeckung der Kindheit als besonderer Lebensabschnitt noch aus, zeigen die Kostüme und Attribute kleine Erwachsene, doch leuchtet in den Gesichtern bereits ein Lebenwollen jenseits der Etikette auf.
Frei von höfischen Zwängen ist die Porträtmalerei da, wo sie sich den Persönlichkeiten der Epoche zuwenden kann, wie in Bronzinos messerscharfem Porträt der Dichterin Laura Battiferri (um 1560). Da wird deutlich, dass mitnichten die ganze Gesellschaft von den Machtallüren des Herzogs und seiner bis nach Urbino reichenden Sippschaft umgeformt war. Andrea del Sartos Bildnis einer die Sonette von Petrarca lesenden, den Betrachter kokett anlächelnden jungen Frau von 1528 bündelt das geschlechterübergreifende Bildungsideal der Oberschicht wie in einem Brennglas – und folgt dem von Vasari befürworteten Konzept des „vedi non vedi“, des Zeigens und zugleich Versteckens, das das Geheimnis der Darstellung lebendiger Menschen ausmache. Gelehrte und erstaunlich viele Musikanten wurden porträtiert. Nur bei wenigen ist die Identität überliefert, nicht etwa bei der „Dame in Rot“ von Bronzino, die bereits vor seiner Florentiner Zeit entstanden sein dürfte, aber genau jene Balance von kristalliner Klarheit und psychologischer Durchdringung zeigt, mit der der Künstler ab 1532 am Medici-Hof reüssierte. Im Gesicht der vornehmen, allein schon durch ihr Schoßhündchen als Angehörige der Oberschicht ausgewiesenen Dame mischen sich Lebensklugheit und eine schwer zu greifende Melancholie.
Mit diesem Meisterwerk aus dem Bestand des Frankfurter Städel Museums verbindet sich der Hinweis auf die nächste Station, an der die Bilder vor der Rückkehr in ihre jeweiligen Museen Halt machen werden: Das Städel plant fürs Frühjahr eine Ausstellung zum Florentiner Manierismus. Man wird einige, wenn nicht etliche der in Paris gezeigten Bilder wiedersehen. Gleichwohl ist gerade die wohnzimmerartige Pariser Ausstellung hervorragend geeignet, um sich jener Epoche staunend zu nähern, da Florenz ein Zentralort europäischen Geistes war.
Paris, Musée Jacquemart-André, Bd. Haussmann 158, bis 25. Januar. Katalog: 32 €. www.musee-jacquemart-andre.com