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Michael Jackson.
© dpa

Neues Michael-Jackson-Album "XScape": Liebesgrüße aus dem Jenseits

Michael Jackson starb vor fünf Jahren. Jetzt hat ein Team von Produzenten ein zweites Album aus seinem Nachlass erstellt. „XScape“ erscheint nächste Woche und feiert erneut den King of Pop.

Escape, „Entkommen“, stand auf Michael Jacksons persönlicher Wunschliste wohl ein Leben lang ganz oben. „Der Erfolg ist wie ein Gefängnis“, soll er einmal gesagt haben – und genau daraus wollte er sich befreien; irgendwann, irgendwie. Neverland, sein riesiges Anwesen in Kalifornien, hatte er nicht umsonst nach der Heimat Peter Pans benannt. Was läge also näher, als Jacksons ewigen Fluchtgedanken zum Titel seines zweiten posthumen Albums zu machen, das jetzt, knapp fünf Jahre nach seinem Tod und vier Jahre nach „Michael“ erscheint? Allein: Ganz so verständnisvoll ist die Plattenindustrie nicht.

„XScape“, der Titel des Albums, das am 9. Mai herauskommt, hat laut Produzententeam eher pragmatische als sentimentale Gründe. Seit seinem Durchbruch mit „Off the Wall“ hatte Michael Jackson nur noch Alben veröffentlicht, die mit einem prägenden Ein-Wort-Hit als Titel auskamen: „Thriller“, „Bad“, „Invincible“. Um den bewährten Rhythmus nicht zu stören, wurde folglich „XScape“ zum namenstiftenden Titelsong erkoren, denn die übrigen sieben Stücke sind wegen ihrer Wortanzahl schlicht nicht tauglich. „Chicago“ hätte es noch auf das Cover schaffen können – wäre da nicht der lästige Zusatz „She was lovin’ me“. Also musste „XScape“ herhalten, ein Song, den Jackson 2001 eigentlich für „Invincible“ aufgenommen hatte. Dass sich der Gedanke an Flucht und Entkommen darin wiederfindet, war den Produzenten aber gewiss nicht unrecht.

Antonio „L.A.“ Reid, als Geschäftsführer der Plattenfirma Epic Records in erster Linie für „XScape“ verantwortlich, schwört Stein und Bein, dass er nur die Allerbesten an Jacksons Nachlass herangelassen habe. In dem von ihm zusammengestellten Produzententeam fänden sich vor allem „langjährige Freunde“ von Jackson – oder Künstler, mit denen jener bereits zu Lebzeiten gearbeitet habe. Oder zumindest Produzenten, mit denen er ganz sicher „hätte zusammenarbeiten wollen“.

Im Klartext heißt das, dass Timbaland und sein „Best Buddy“ Jerome „J-Roc“ Harmon den Großteil der acht Songs auf „XScape“ produziert haben. Beteiligt war auch Rodney Jerkins, der 2001 „You Rock My World“ für Michael Jackson arrangierte – und auch für Schwester Janet schon Chart-Hits schrieb. Ebenfalls mit von der Partie war das norwegische Produzententeam Stargate. Keine schlechte Idee: Von ihnen stammen Hits wie Katy Perrys „Firework“ oder Ne-Yos „So Sick“. Mit Michael Jackson hatten sie bisher aber noch nie zu tun.

„Contemporizing“, so L.A. Reid, sei das Gebot der Stunde gewesen. Will heißen: Jacksons Archiv-Material – das meist einfach aus purem Gesang bestand – musste modernisiert werden. Aus vier Jahrzehnten suchten die Produzenten in Trüffelschwein-Manier die besten Tonaufnahmen und Fragmente zusammen, um sie für 2014 massenkompatibel zu machen. Radio- und clubtauglich. Jung. Besonders von Letzterem hat L. A. Reid mehr als nur eine Ahnung: Ohne ihn wäre Justin Bieber ein unbekannter kanadischer Halbstarker mit schlechten Tattoos geblieben.

Wer „XScape“ das erste Mal hört, muss zugeben: Das „jung“ ist gelungen, ohne anbiedernd zu wirken. Wo Timbaland seine Finger am Mischpult hat, ist immer mit einer wuchtigen, satten Produktion zu rechnen – Michael Jackson war bekanntlich selbst kein Bass-Verächter. „XScape“ kommt trotzdem ein wenig langsam in Fahrt. Die ersten drei Tracks sind zwar nicht schlecht, aber man hört ihnen auch an, warum Jackson sie im Archiv liegen ließ. „Love you totally, Love never felt so good, Loving you“: ganz viel Liebe in den ersten „XScape“-Minuten, kombiniert mit cleveren Synthie-Spielereien und ein paar obligatorischen Jackson-Kieksern. Schön zu hören, aber: unaufregend.

Ausgerechnet der titelgebende "XScape" ist einer der schwächeren Songs

King of Pop. Michael Jackson ist bis heute der erfolgreichste Künstler aller Zeiten.
King of Pop. Michael Jackson ist bis heute der erfolgreichste Künstler aller Zeiten.
©  Sony

Auch das nächste Thema – Überraschung! – ist Liebe, und mit dem Song „Chicago“ ist auch schon Halbzeit auf der Platte, die kaum eine halbe Stunde Laufzeit überschreitet. Die Bässe werden fetter, der Rhythmus schneller, Jacksons Stimme griffiger – und man erinnert sich, warum Jackson nicht nur King of Pop genannt wurde, sondern bis heute der erfolgreichste Künstler aller Zeiten ist.

„Do You Know Where Your Children Are“ ist eins der längsten Stücke auf „XScape“, zu „Slave To The Rhythm“ können sich auch Endzwanziger getrost im Club bewegen, ohne es peinlich zu finden, Timbaland sei Dank. Obwohl er Stars wie Nelly Furtado und Justin Timberlake produzierte, galt er in den vergangenen Jahren eher als solider R’n’B-Veteran, nicht als Kreativgenie. Bis L. A. Reid ihm den Großteil des Jackson-Nachlasses anvertraute. „XScape“ dürfte Timbaland erneut in die Liga der Top-Produzenten katapultieren, auch wenn gegen Ende des Albums der Eindruck überwiegt, es gelte das Motto „größer, fetter, bombastischer“. Etwa, wenn das Intro zu „Blue Gangsta“ kurz wie ein Piratenfilm-Soundtrack klingt. Das haben Stücke von Michael Jackson nicht nötig – weil es sie nicht besser macht, als sie ohnehin bereits sind.

Mit „XScape“ endet das Album, einem der schwächeren Songs. Wie gesagt, das Ein-Wort-Motiv war ausschlaggebend für den Titel. Beim Plattencover wurden weniger Kompromisse gemacht. Da schaut Jackson aus einem überdimensionalen Stehkragen heraus, der das Weltall spiegelt und auch ein Planetenring sein könnte. Sicher ist nichts, außer: Das Universum ist mit von der Partie.

Bei „Michael“, dem ersten nach Jacksons Tod erschienenen Album, war von Zombie-Pop die Rede gewesen. Die Plattenfirma hatte gar eine prominente Riege von Experten aufgefahren, um die Echtheit des Archivmaterials zu verifizieren. Auch jetzt wird wieder die Kritik laut, die posthume Veröffentlichung von Songs, die Jackson oft bewusst im Archiv gelassen habe, sei Geldschneiderei seitens der Familie und der Produktionsfirmen.

Für dieses Phänomen gibt es mehr als ein Beispiel. Tupac Shakur, Johnny Cash, Nirvana: Manche posthumen Veröffentlichungs-Listen sind länger als die zu Lebzeiten der Künstler. Aber „XScape“ ist mehr als aufpolierte Resteverwertung. Michael Jackson hört sich hier genauso an wie auf dem Zenit seines Erfolgs. Viel Soul. Viel Gefühl. Viel Falsett. Ein bisschen geglättet und aufgehübscht vielleicht. Auf jeden Fall ohrwurmverdächtig. Wir erinnern uns: King of Pop.

Das Album „XScape“ erscheint am 9. Mai bei Epic Records. Mehr zu Michael Jackson unter www.tagesspiegel.de/jackson

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