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Kultur: Lewis Carroll fotografiert kleine Mädchen

Dass Lewis Carroll nicht nur "Alice im Wunderland" verfasste, sondern auch kleinen Mädchen zugetan war, murmelt man in der Literaturgeschichte schon lange. Carroll fotografierte auch gern kleine Mädchen.

Dass Lewis Carroll nicht nur "Alice im Wunderland" verfasste, sondern auch kleinen Mädchen zugetan war, murmelt man in der Literaturgeschichte schon lange. Carroll fotografierte auch gern kleine Mädchen. Er ließ sie posieren, an Treppen, Bäume, Sofakissen gelehnt, auf dem Schaukelpferd, als Rotkäppchen verkleidet oder als entkleidete Nymphchen, die er von Amateurkünstlerinnen handkolorieren ließ. Brassai sah in Carroll "einen der besten Kinderfotografen des 19. Jahrhunderts". Jetzt hat Morton Cohen, Carroll-Kenner und emerierter New Yorker Professor, einen Bildband mit Carrolls Fotografien herausgegeben. "Sie werden mich für unersättlich halten", schrieb Carroll 1891 in einem Brief, "aber bei Fotografien habe ich den Hunger eines Wals." Wie weit sein Hunger physisch ging, ist umstritten, doch eindeutig verweisen die Bilder auf eine Erotisierung kleiner Wesen, während seine Portraits erwachsener Frauen zum Teil bizarr wirken. So bildete er eine befreundete Schauspielerin im Kettenhemd als "Jungfrau vom See" ab, eine andere als Andromeda, zur Besänftigung der griechischen Götter an einen Felsen gekettet. Carroll stellte allerorten - bevorzugt dort, wo er kleine Mädchen sichtete - sein Stativ auf. Unser Bild - Titel: "Es wird einfach nicht glatt" - zeigt die kleine Irene MacDonald mit Kämm-Problemen, abgelichtet im Sommer 1863.

Reflexionen im Spiegel. Ein Pionier der Fotografie. Knesebeck. 144 S., 88 DM

cf

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