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Mit den Bullaugen eines Malers. Das Gemälde „two pm“ von Thomas Scheibitz im Ausstellungsraum Jarla Partilager.
© Jarla Partilager

Berliner Kunstsammler: Leidenschaft zahlt sich aus

So stellt man sich einen Kunstsammler vor: Dickes Auto, dicke Brieftasche, dickes Ego. Sieht man sich die Szene in der deutschen Hauptstadt an, kann man feststellen: es geht auch anders. Warum sich der Sammler als Typ nicht definieren lässt

Ein Maserati. Aus Zürich. Fährt langsam und suchend durch Kreuzberg. Schon vermutet man im Auto einen jener Sammler, die den Berliner Kunstmarkt am Laufen halten sollen. Denn darum geht es schließlich neben all den Parties und Abendessen rund um das Gallery Weekend – dass die Kunst an diesem Wochenende nicht nur angeschaut wird, sondern Begehrlichkeiten weckt und eine kaufkräftige Klientel in die Stadt lockt.

Der Sammler aber ist ein scheues Wesen. Er will schon deshalb nicht auffallen, weil ihm die wachsende Popularität im Kunstbetrieb ein garantiertes Bombardement von Mails und Anfragen beschert. Es gibt prominente Ausnahmen wie Donald und Mera Rubell aus Miami, die sich ungern übersehen lassen. Und es gibt andere wie Gerard De Geer, der geradezu heimlich eine Ausstellung eröffnet hat. Seitdem reist er per Flugzeug alle paar Wochen aus Schweden nach Berlin, um sich die Arbeiten aus der eigenen Sammlung immer wieder anzusehen.

Ein Phantom, das ganz real Thomas Scheibitz sammelt. De Geer besitzt so viele große und wichtige Bilder des Berliner Künstlers, dass man die Schau im Kreuzberger Galeriehaus Lindenstraße ruhig museal nennen kann. Motive aus den späten neunziger Jahre treffen auf aktuelle Arbeiten und erleichtern den Zugang in jenes Scheibitz-Universum, das auf der Plünderung der Realität basiert. Architektur, Landschaft, Sprache und Symbole, gern auch heraldische: Scheibitz mischt diese Eindrücke. Ihre konträren Informationen werden vom Maler miteinander verknüpft und locken in Räume voller vertrauter und dennoch abstrakter Zeichen.

Der Sammler aus Schweden lässt „Lineage One/Stilleben & Statistics“ noch bis Juni in seinem temporären Ausstellungsraum Jarla Partilager. Benannt hat er ihn nach einem Geschäft für Billigmöbel, in dessen verlassenen Räumen die Gemälde in Stockholm zuerst gezeigt wurden. Ein Geschenk an die Öffentlichkeit, hier wie dort. De Geer meint das ernst und verzichtet auf jede persönliche Aufmerksamkeit. Ein extremer Entzug, ein bisschen verschroben, sicher. Und doch beeindruckt die Konsequenz, mit der Großsammler wie er hinter ihre Kollektion zurücktreten.

Berlins Galeristen wissen auch so, wer im engen Kreis der Interessenten steht. Und sie verdrehen die Augen, wenn Kritiker zum wiederholten Mal betonen, dass dies keine Stadt der Sammler sei. Es kaufen nicht bloß die Kunsttouristen. Ein spektakuläres Viertel wie den Wynwood Arts District in Miami, wo sich millionenschwere Gemälde und Skulpturen in privaten Ausstellungsräumen stapeln, sucht man auch in anderen europäischen Städten vergeblich. Und vielleicht ist ein Sammler doch nicht stets im Maserati unterwegs. Dass es sehr wohl die andere, leidenschaftliche Seite des Sammelns gibt, beweist eine Ausstellung im frisch gegründeten Salon Dahlmann.

Sein Initiator: der finnische Sammler Timo Miettinen. Die Idee: ein herrschaftliches Gründerzeithaus am Ku’damm wiederzubeleben und mit Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen zu füllen. Das haben mit Juerg Judin, Christina und Christian Kohorst, Gerd de Vries, Siggy Loch Loch oder Moi Soltek nun rund zwei Dutzend Berliner getan. Galeristen und Unternehmer, Verleger und Privatiers.

Manche kaufen im großen Stil, andere haben erst vor ein paar Jahren begonnen. „The Moment I became a Collector ...“ heißt ihre gemeinsame Ausstellung, in der jeder mit einem Schlüsselwerk vertreten ist. Darunter findet man seltene Petitessen wie eine Zeichnung von Leon Polk Smith aus den 60er Jahren. Aber auch Kohlezeichnungen von George Grozs oder das große Aquarell von Gerhard Altenbourg „Die Schaukel“ (1954) aus der Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch. Begleitet werden die Exponate von Statements, in denen ihre Besitzer den persönlichen Wert jener Arbeiten erläutern. So erfährt man, dass etwa Jürgen Lucius Anfang der Siebziger von einem Bild fasziniert war, das ein Geschäftspartner im Büro hängen hatte. Bis das Aquarell mit Rahmen herunterfiel, beschädigt wurde und vom Besitzer durch ein Kalenderblatt ersetzt wurde – das ihm ohnehin besser gefiel. Lucius holte die farbsatte Abstraktion aus dem Müll, ließ sie von einem Experten prüfen und kaufte dem Partner das Bild zu einem entsprechenden Preis ab: Es war eine frühe Arbeit von Markus Lüpertz.

Man liest solche und ähnliche Geschichten in der von Heike Fuhlbrügge, Joëlle Romba und Ute Weingarten initiierten Ausstellung. Nicht bloß die Werke wachsen einem dadurch ans Herz. Man gelangt auch zu der Einsicht, dass sich der Sammler als Typ nicht definieren lässt. Er kann jung sein wie der Werber Christian Schwarm. Erfahren wie Paul Maenz, der aber schon als 22-Jähriger anstelle eines Autos die minimalistische Arbeit „Achrome“ von Piero Manzoni (1959) erwarb. Oder noch unsicher, ob man die eigenen Ankäufe schon eine Sammlung nennen kann. „Lagern Sie Kunst?“, wurde einer der Teilnehmer vor Jahren von einem wichtigen Sammler gefragt. „Wenn ja, dann sammeln Sie auch!“

Jarla Partilager, Lindenstr. 34, 28./29. April, 11 –19 Uhr, sonst nach Vereinbarung unter visit@jarlapartilager.org.

Salon Dahlmann, Marburger Str. 3, bis 13. Mai, Fr/Sa/So 11 –18 Uhr

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