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Welcher Typ bin ich? Eine Seite aus dem Buch.
© Reprodukt

Matt Groenings „Liebe ist die Hölle“: Lebenshilfe vom Simpsons-Schöpfer

Das Leben ist sinnlos, aber lustig: Matt Groenings Comic-Strip „Life In Hell“ kommentiert die Absurditäten des Alltags. Dank einer Neuauflage kann man das Frühwerk des Zeichners nun endlich wieder entdecken. 

Sie kennen die „Simpsons“? Ok. Und „Futurama“? Gut. Und „Life In Hell“? Nein? Macht nichts, denn angesichts der phänomenalen Popularität der beiden erstgenannten Serien wird gelegentlich übersehen, dass ihr Schöpfer Matt Groening auch noch ein hervorragender Comic-Strip-Zeichner war: Seit 1977 drückte er in „Life In Hell“ seine Verbitterung über die Liebe, den Job, die Schule und das Elend des Alltags aus – mit Hasenfiguren.

Bis zu 380 Zeitungen druckten den Strips seitdem ab, dennoch hat selbst mancher Simpsons-Hardcore-Fan noch nie einen von Groenings Strips gelesen. Zumindest im deutschsprachigen Raum ist dies kein Wunder, denn bislang wurden lediglich vier Sammelbände Anfang der Neunziger ins Deutsche übersetzt, was auch mit dem teils schwer reproduzierbaren Wortwitz der Serie zusammenhängt. Heute sind diese Ausgaben längst vergriffen, doch glücklicherweise hat sich Reprodukt kürzlich der Aufgabe angenommen, die Sammelbände neu zu veröffentlichen: Den Start machte „Liebe ist die Hölle“, der vor kurzem erschienen ist.

Hasen als Alter Ego

Unter der Leitfrage „Was ist Liebe und wie kommst du darauf, das du sie verdienst?“ kommentiert Groening ironisch bis pessimistisch die Irrungen und Wirrungen des Beziehungswahnsinns, gibt Tipps, was man beim Sex besser nicht sagen sollte („Oh Herr, vergib mir diese schreckliche Sünde, die zu begehen ich in Begriff bin“), zählt die neun Arten von Beziehungen auf (von „Kobra und Mungo“ bis „Meckerpötte gegen den Rest der Welt“), oder zeigt, dass Liebe zu 19 Prozent aus dem Bedürfnis nach Rückenmassagen besteht – nur um am Ende zu zeigen, dass wir uns die ganze Liebes-Müh eigentlich umsonst machen. Groenings Grundhaltung ist Galgenhumor: Das Leben hat keinen Sinn, aber das heißt nicht, dass man keine Witze darüber machen kann.

Zum Neu- und Wiederentdecken: Das Cover des ersten Bandes. Im Februar folgt Band 2.
Zum Neu- und Wiederentdecken: Das Cover des ersten Bandes. Im Februar folgt Band 2.
© Reprodukt

Anders als bei den Simpsons ist der Grundton nachdenklicher: Groening trägt seine Beobachtungen mit trockener Melancholie vor, biegt jedoch stets kurz vor der Verzweiflung ab. Hauptfigur ist der Hase Binky, der weniger handelnder Charakter ist als vielmehr Groenings sprichwörtliches Versuchskaninchen, das als leidendes Subjekt für die Zweifel und den Frust seines Schöpfers dient. Gleichzeitig ist Binky natürlich auch Groenings Alter Ego, denn Hasen sind scheu, ängstlich und verunsichert, und genauso fühlte sich auch der Zeichner selbst, als er Ende der Siebziger Jahre nach Los Angeles zog.

„Life In Hell“ zeichnete er ursprünglich nur für seinen Freundeskreis, doch bereits nach ersten Veröffentlichungen in lokalen Magazinen erfreuten sich Groenings Strips wachsender Beliebtheit – seine lakonischen Ansichten über unseren von Zwängen, Ängsten und Absurditäten beherrschten Alltag trafen einen Nerv.

Piktogramme, Listen und Schemas statt Panels

Ein weiterer Grund für die Popularität von Life In Hell ist seine ebenso außergewöhnliche wie kurzweilige Form: Anders als typische Tages-Strips bestehen die Episoden bei Groening nicht aus drei bis vier Panels in einer Reihe sondern nehmen quadratisch eine ganze Buchseite ein. Handlungen und Dialoge gibt es kaum, stattdessen erinnert Life In Hell oft eher an die Schulheft-Kritzeleien, die man während einer langweiligen Unterrichtsstunde anfertigt: Das Spektrum reicht von launigen Ankreuz-Tests, Mini-Listen, Piktogrammen, Schemas und parodistischen Werbeanzeigen bis hin zu ironischen Anleitungen und Ratgeber-Seiten („Wie wird man ein ausgefuchster Filmkritiker?“). Obwohl es unzählige andere Strips gibt, die die gleichen Themen wie Life In Hell behandeln und ähnlich kluge Beobachtungen darüber anstellen, sticht Groenings Comic dank seiner ungewöhnlichen und verdichteten Form heraus.

1985 wurde Hollywood-Produzent James L. Brooks auf „Life In Hell“ aufmerksam und schlug dem 31-jährigen Zeichner vor, eine kleine Zeichentrick-Serie für die „Tracey Ullman Show“ zu produzieren – die Geburtsstunde der Simpsons. Trotz deren gewaltigen Erfolgs führte Groening seinen Strip Woche für Woche weiter, bis er ihn 2012 – nach 1669 Episoden – beendete.

Den Großteil davon haben Leser hierzulande noch nie zu Gesicht bekommen, es gibt also noch viel Material, das einer deutschen Erstveröffentlichung harrt. Zunächst müssen sich „Life In Hell“-Fans jedoch mit den Reprodukt-Neuauflagen be- bzw. ver-gnügnen. Der nächste Band „Arbeit ist die Hölle“ wurde für den 4. Februar angekündigt. 

Matt Groening: Liebe ist die Hölle, Reprodukt 2013, aus dem Amerikanischen von Matthias Wieland, Handlettering von Olav Korth, 48 Seiten, schwarzweiß, gebunden, 12 Euro

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Erik Wenk

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