Ingeborg-Bachmann-Preis: Lass mich dein Primat sein
Bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt wirkt es am Samstag so, als habe die Jury ihre Siegerin schon vor der eigentlichen Abstimmung gefunden. Teresa Präauer wird enthusiastisch gefeiert für ihren Affenliebe-, Affentheater- und Affenkomödientext „Oh Schimmi“.
Es wirkt dann am Samstagvormittag im immer heißer werdenden Klagenfurt tatsächlich so, als habe die Jury des Bachmann-Preises ihre Siegerin schon vor der eigentlichen Abstimmung am Sonntag gefunden. Teresa Präauer, die gerade als dritte und damit vorletzte Teilnehmerin des 14-köpfigen Feldes ihren Text gelesen hat, wird geradezu enthusiastisch gefeiert für ihren Affenliebe-, Affentheater- und Affenkomödientext „Oh Schimmi“, erst vom immer wieder laut lachenden Publikum während der Lesung. Und schließlich eben auch von der Jury. Von „Zauberstück auf offener Bühne“ bis „unglaubliche Lockerheit beim Erzählen“ reicht das Lob für Präauer, die erzählt, oder noch mehr: performt, wie ein Mann namens Jimmy und deshalb Schimmi sich ein Affenkostüm ausleiht, um damit wieder bei seiner Geliebten Ninni zu erscheinen, einer White-Trash-Lady. Und zwar mit Sätzen wie diesem beim Kostümverleiher: „,I wanna be laffd / ich will ein Affe sein / geladen / in den / Dschungel-von-Ninni‘. Ich sage es lyrisch, ich sage es flötend. ,Ninni‘, sagt endlich der Kostümverleiher, ,Ninni von was, A-nita-eckberg, Anaisnin‘. - Kein guter Rhythmus“.
Aber ist das jetzt wirklich so witzig oder sprachgewaltig oder furios anspielungsreich? Nö. So wie Präauer liest, prononciert, aufgesetzt, nicht immer den Rhythmus findend, den sie sucht und braucht, geht der Präauer-Auftritt vor allem auf die Nerven, nicht zuletzt auch wegen diverser Schubidubidu-Lautmalereien und extrem naheliegenden, mal völlig blöden Zitaten von Peter Fox („Stadtaffe“) über den „Rumble in the Jungle, den sie gleich zum „Bumble in the Jungle“ verballhornt (oh mein Gott dieser Himmel, wie komme ich da nur hin, kann ich da nur reinzitieren bei solchen Verunglückungen), bis hin zum Ian, nämlich Ian Anderson von Jethro Tull mit seiner Querflöte, warum auch immer. Noch eine Kostprobe? „So aber muss ich hier erst einmal meinen Wagen suchen und in den Su-su-supermarkt cruisen.“ Als sie von Moderator Christian Ankowitsch verabschiedet wird, verbeugt Präauer sich und winkt, wie ein Popstar. Ja, ja, die Literatur, sie wird immer gesamtkunstwerkiger - auch wenn ich bei "Schimmi" immer nur an Horst Schimanski gedacht habe.
Nur gut, dass gleich danach eine weitere und dieses Mal zur recht preiswürdige Erzählung gelesen wird, von der in Zürich lebenden und in Bukarest geborenen Dana Grigorcea. Ein großartiger Text über die jüngere Geschichte Rumäniens ist das, von der Ceausescu-Zeit und jener die nach dessen Sturz, dargestellt an haufenweise medialen Verfehlungen, die ihren Höhepunkt in einem sehnsüchtig erwarteten Michael-Jackson-Auftritt in Bukarest 1993 finden - und der Begrüßung Jacksons mit „Hello Budapest, I love you“. Auch Grigorcea arbeitet mit Zitaten aus Pop und Film, droppt Liedzeilen von Abba oder eben Michael Jackson, aber all das ist viel zurückgenommener, ruhiger als in dem aufgekratzen Präauer-Text und insgesamt in einer angenehm unaufgeregten, aber durchaus poetischen Sprache gehalten.
Und nach diesen beiden Vorstellungen und den ersten beiden, am frühen Vormittag viel kontroverser diskutierten Texten von Jörg Halter (wirklich öde und anmaßend) und Anna Baar (wuchtig, sprachgewaltig, sich von den Worten gleichzeitig würgen lassend wie sich an ihnen berauschend, wie Baar am Ende schreibt) steht man dann so gegen halb drei vor dem ORF-Studio und zählt sie auf, die potentiellen Bachmannpreis-Gewinnerinnen: Nora Gomringer, Valerie Fritsch, Monique Schwitter, Teresa Präauer, Dana Grigorcea. Wenn es nach mir ginge, dann bitte so: Grigorcea vor Fritsch vor Gomringer. Und der Publikumspreis, nun denn, seufz, seufz, für Präauer. Oder auch für Gomringer.
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