Kulinarisches Kino: Lamm und Liebesäpfel
Spitzenköche und Regisseure zeigen die Verführungskräfte des Essens im Film.
Die Liebe auf den ersten Biss gibt es auch jenseits von Vampirfilmen. Tilda Swinton macht''s vor. Die letztjährige Jurypräsidentin der Berlinale eröffnet ausgerechnet am Valentinstag, am 14. Februar, mit dem Film „Io sono l''Amore“ (Ich bin die Liebe) im Rahmen der Berlinale das Kulinarische Kino. Das Motto in diesem Jahr lautet: „In the Food for Love“, ein Wortspiel, das musikalische Assoziationen mit der Liebe zum Essen verbindet. Es geht um Lebensmittel, die auch als Liebesmittel taugen, und im Eröffnungsfilm spielt Tilda Swinton die Ehefrau eines Mailänder Großindustriellen, die sich in den Koch Antonio verliebt.
Das Kulinarische Kino als fester Bestandteil der Berlinale findet zum vierten Mal im Martin-Gropius-Bau statt. An fünf Berlinale-Abenden können jeweils 200 Filmfeinschmecker nach einem kulinarischen Film eines der heiß begehrten Gourmet-Dinner im Spiegelzelt genießen, das aus saisonalen und regionalen Bioprodukten zubereitet wird. Den Auftakt macht Christian Lohse mit einer „Russisch-italienischen Liebeserklärung“, bestehend aus San-Remo-Kabeljau mit Borschtsch-Gemüse, Rote Bete Coulis und Smetana von Koriander und Dill. Am darauffolgenden Abend kocht Michael Kempf vom Facil einen "Tanz zwischen Himmel und Erde“ aus mit Bio-Hanfsalat geschmorter Mecklenburger Bisonbacke, Apfelblüten und Urkartoffelconfit. Davor gibt es den Film „Botanik der Begierde“, der am Beispiel von Apfel, Tulpe, Marihuana und Kartoffel die lustvollen Beziehungen zwischen Menschen und Pflanzen aufzeigt. Autor Michael Pollan illustriert damit die These, dass Menschen und Pflanzen sich gegenseitig nutzen, da sich Pflanzen nicht ausbreiten könnten, wenn sie keinen Erfolg beim Menschen hätten. „Ist Kochen Liebe oder Pflicht?“, fragt der iranische Filmemacher Mohammad Shirvani, indem er sechs Frauen in die Töpfe schaut, in denen das Essen für das Ende eines Ramadantages brutzelt. „Iranisches Kochbuch“ lautet der persischsprachige Dokumentarfilm. Thomas Kammeier vom Restaurant Hugos kocht dazu ein „Frommes Lamm“, eine im Gemüse-Linsen-Sud sanft geschmorte Lammschulter mit Graupe und Djah Oftadeh. Nach der Wettbewerbswiederholung des rührenden Eröffnungsfilms „Getrennt zusammen“ und einer Talkrunde mit Regisseur Wang Quan''am bereitet Tim Raue unter anderem eine Suppe namens „Buddah Jumps Over the Wall“, die aus Seegurke, Huhn, Spanferkel, Jakobsmuschel, Bambus, Pilz, Ingwer, Ginseng, Gai Lan und Koriander besteht. Der Dokumentarfilm „Kings of Pastry“ zeigt die Mühen herausragender französischer Patissiers, die sich alle vier Jahre beim Wettbewerb „Beste Handwerker Frankreichs“ messen. Die Luxemburgerin Lea Linster versüßt den Leinwandstress mit Blätterteig-Pastete in Ahornsirup und Pommes d'' Amour . Zum 80. Geburtstag von Günter Lamprecht gibt es eine Sondervorführung von „Das Brot des Bäckers“ und anschließend ein Büfett mit Werken der Bäckereien Weichardt und Soluna. Beim jungen kulinarischen Kino diskutieren Jugendliche der Nelson-Mandela-Schule über den Film „The Rainbow Warriors Of Waiheke Island“, in dem die Fahrten des ersten Greenpeace-Schiffes dokumentiert werden. Das Menü dazu bereiten Interconti-Küchendirektor Alf Wagenzink und der Aktivist Wam Kat, der auf großen Demonstrationen kocht.
Neben dem Hauptprogramm finden „Teatimes“ am Nachmittag statt und Spätvorstellungen, bei denen soziale und ökologische Themen im Mittelpunkt stehen. „Wir zeigen auch Filme, die den Appetit verderben, Filme, die die Augen öffnen für die katastrophale Lage der Ernährung in der Welt“, sagt Festival-Chef Dieter Kosslick. Unter anderem präsentiert Hannes Jaenicke seine Dokumentation „Im Einsatz für Haie“. Zu dem Streifen „Bananas!“, der den Einsatz von Pestiziden durch einen großen US-Konzern in Mittelamerika dokumentiert, gibt es eine Teatime unter dem Motto „Fruchtsalat“ mit einer Weddinger Schulgarteninitiative, die selbst gepflückte und eingeweckte Pflaumen mitbringt.
Am 17. Februar heißt der Titel der Teatime „Books to Cook“. Susanne Kippenberger liest aus ihrem neuen Buch „Am Tisch“ und Zhang Yu aus einem Buch über die chinesische Küche.
Hervorgegangen ist das Kulinarische Kino aus einem Symposium, das 2006 beim Berlinale-Nachwuchsfestival Talent Campus zum Thema „Geschmack“ stattfand. Erst im Oktober ehrten die größten Köche der Welt Dieter Kosslick für seine Verdienste um das Kulinarische Kino. Das Galadinner richtete Paul Bocuse aus. Die Teilnehmerzahl ist pro Filmmenü bewusst auf 200 begrenzt. Der Leiter der Reihe, Thomas Struck, sagt: „Qualität muss intim bleiben.“
Elisabteh Binder
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