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"Anoha": Das künftige Kindermuseum des Jüdischen Museums.
© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Jüdisches Museum für Kinder: Lachen und lernen in der Arche Noah

Das Jüdische Museum Berlin lädt zur Baustellenbesichtigung des Kindermuseums, das 2020 eröffnen soll. Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Sintflut.

Man muss nicht mit dem Nachwuchs im Zoo gewesen sein, um zu wissen: Kinder begeistert man am besten mit Tieren. Naheliegend also, die biblische Erzählung von Noahs Arche aus dem ersten Buch der Tora (Genesis) zum Ausgangspunkt des Kindermuseums des Jüdischen Museums Berlin zu machen, das am 17. Mai 2020 eröffnet werden soll. Obwohl noch überall Kabel herumhängen und Stolperfallen auf dem Boden lauern, konnte man sich jetzt ein Bild machen von dem, was da entsteht im südlichen Teil der ehemaligen Blumengroßmarkthalle an der Kreuzberger Lindenstraße. Unter den einzigartig filigranen Betonrippen des Daches wird das Kindermuseum als Haus-im-Haus eingerichtet, der Bund unterstützt das Vorhaben mit fünf Millionen Euro. „Wir hören mit diesem Projekt auf unsere Besucher“, erklärt der nach dem Rücktritt von Peter Schäfer geschäftsführende Direktor Martin Michaelis, „20 Prozent sind unter 20 Jahre alt, jedes Jahr kommen 22 000 Kinder ins Jüdische Museum.“ Ein Beirat mit Kindern aus mehreren Grundschulen war und ist an der Projektplanung beteiligt.

Durch eine Abfolge von Räumen, deren Decke sukzessive höher wird, gelangen die kleinen und großen Besucher zum Herzstück: eine sieben Meter hohe, aus Fichtenholz gezimmerte kreisförmige Arche Noah. Man schreitet durch das Bauwerk und meint bereits, das Lachen und Lärmen zu hören, das hier Tag für Tag gegen die Wände branden wird. Alan Maskin vom Büro Olson Kundig Architecture aus Seattle, das den Konzept-, Design- und Architekturwettbewerb gewonnen hat, war früher selbst Lehrer, das Konzept zielt auf Spielen und Lernen. Die Kinder können, anders als in „erwachsenen“ Museen, alles anfassen, in erster Linie Tiere: Giraffen, Elefanten, Orang-Utans, gefertigt von Künstlern aus Alltagsgegenständen, Schnüren, Kork, gefundenem, recyceltem Material. „Es geht auch darum“, erklärt Maskin, „dass sie Verantwortung übernehmen. Sie können die Tiere füttern, baden, ins Bett bringen, sich sogar um ihren Dung kümmern.“

Nicht Religionsvermittlung, sondern transkulturelles Denken stehe im Vordergrund, erklärt Barbara Höffer, die die Konzeption mit entworfen hat. Denn gerade die Geschichte von der Sintflut ist nicht auf die Bibel beschränkt, sie findet sich in vielen, wesentlich älteren Kulturen. Ist das Museum gewappnet, falls jetzt wieder der Vorwurf kommt, das spezifisch Jüdische stehe nicht genug im Vordergrund? „Ja“, sagt Höffer. „Flutgeschichten sind auch Fluchtgeschichten, die wir vor dem Hintergrund der jüdischen Erfahrung erzählen. Wir betonen die noachidischen Gebote, die für alle Menschen gelten. Es wird um Dialogfähigkeit gehen und darum, Texte ständig neu zu deuten – eminent jüdische Themen." Ein Museum der Zukunft soll es werden, basierend auf einem sehr alten Narrativ. Und natürlich wird sich auch alles um Ökologie und Nachhaltigkeit drehen, um Verantwortung für diese eine Welt. Denn wie soll man von der Sintflut erzählen und dabei verschweigen, dass dem Planeten angesichts schmelzender Gletscher und steigender Meeresspiegel eine neue Sintflut droht? Wie mit dem Orang-Utan spielen, ohne daran zu erinnern, dass der Mensch dessen Lebensraum zerstört, indem er den Regenwald durch gigantische, biologisch tote Palmölplantagen ersetzt?

Zwei für das Jüdische Museum Berlin ungemein bedeutende Projekte – das Kindermuseum und auch die komplett umgestaltete Dauerausstellung - werden 2020 am gleichen Tag eröffnet. Michaelis spricht von einer „Neuerfindung des Hauses". Die will der 47-Jährige mit aller Kraft über die Bühne bringen, aber nicht Teil der Zukunft sein: Um die Direktorenstelle hat er sich nicht beworben. Michaelis ist Jurist mit Schwerpunkt Steuer- und Haushaltswesen, kein Judaist. Die Findungskommission, die die Nachfolge für Peter Schäfer ermittelt, tage regelmäßig, sagt er, über Ergebnisse aber werde er nicht informiert. Mit Christoph Stölzl, der dem Museum gerade als Vertrauensperson zur Seite steht, tauscht er sich regelmäßig aus: „Er bringt viel Ruhe ins Haus. Denn natürlich haben die Ereignisse der letzten Monate auf die Stimmung der Mitarbeiter durchgeschlagen.“ Jetzt aber seien alle Energien darauf fokussiert, sich der Arbeit zu widmen – bekanntlich eine gute Strategie, um eine Krise zu bewältigen.

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