Nils Mönkemayer: La Ola für die Viola
Strubbel-Virtuose: Wie Nils Mönkemeyer die Bratsche rehabilitiert. Er hat es geschafft, sich in die Mitte einer jungen Generation von Klassik-Stars zu manövrieren.
„Was unterscheidet eine Bratsche von einer Zwiebel?“ So begrüßt der Bratschenvirtuose Nils Mönkemeyer die Besucher seiner Website. Antwort: „Es weint niemand, wenn man eine Bratsche zerschneidet.“ Mönkemeyer hat gut lachen: Der 1978 in Bremen geborene Musiker kann es sich leisten, mit dem Außenseiterimage seines Instruments zu kokettieren. Schließlich hat er es geschafft, sich in die Mitte einer jungen Generation von Klassik-Stars zu manövrieren. Ein Instrument zu spielen, bei dem selbstironische Witze mit zum Repertoire gehören, kann sich hier durchaus als Vorteil erweisen.
Doch die Atmosphäre von Ungezwungenheit und WG-Kuscheligkeit, die Mönkemeyer mit seinem verstrubbeltem Äußeren im Konzertsaal zu erzeugen weiß, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter dem Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs und Gewinner des Yuri-Bashmet-Wettbewerbs ein hartnäckiger und ehrgeiziger Künstler verbirgt. Einer, der von sich selbst sagt: „Jeder Tag besteht darin, dass man gegen die Wand rennt und hofft, dass die Wand irgendwann weg ist.“
Hartnäckig muss wohl sein, wer die Begriffe „Bratsche“ und „Virtuose“ zusammenzwingen will. Denn Mobbing hat bei diesem Instrument eine lange Tradition: Schon 1752 stellte Johann Joachim Quantz lapidar fest, dass die Bratsche „in der Musik mehrentheils für etwas geringes angesehen“ werde. Anders als die Geige mit ihren idealtypischen Proportionen ist die Bratsche nicht als Soloinstrument entwickelt worden. Von einer kurzen Blüte virtuoser Bratschenkonzerte um 1780 abgesehen, erlebte die Bratsche erst im 20. Jahrhundert einen echten Aufschwung – nicht zuletzt durch Solisten wie Paul Hindemith und Walter Primrose. Auch heute sind die Namen wie Kim Kashkashian, Tabea Zimmermann und Antoine Tamestit über die Violaszene hinaus bekannt. Doch ein Publikumsliebling wie Mönkemeyer hat dem Instrument in Deutschland bisher gefehlt.
Auch Mönkemeyer hat mit der Geige begonnen. Seiner künstlerischen Natur aber behagte das Instrument nicht – und er entdeckte die Bratsche. „Die Paganini- Attitüde interessiert mich nicht“, sagt Mönkemeyer, „es sei denn, Virtuosität ist Teil des Ausdrucks. Ich habe von Anfang an lieber Schumann-Sonaten gespielt. Außerdem bin ich sehr energetisch beim Spielen – und die Bratsche hält das aus!“
Die Spannung zwischen äußerlicher Lockerheit, Mitteilungsdrang und dem melancholischen Grundcharakter des Instruments scheint den Künstler Mönkemeyer zu inspirieren. Prompt wurde sein Album „Ohne Worte“ mit Lied-Arrangements von Schubert, Mendelssohn und Schubert zu einem Überraschungserfolg: Die Intensität des Gesangs bei dosiertem Vibrato, der Reichtum der Klangfarben und das Erzählertalent überzeugen selbst Romantik-Skeptiker. Seine Debüt-CD mit Orchesterwerken, die der Bratscher Anfang dieses Monats bei seinem Berlin-Debüt präsentierte, zeigt, dass Mönkemeyer auch in weiteren Stilen Populäres und Tiefes zu versöhnen weiß: Neben Bearbeitungen von Bach-Arien wagt er sich an zwei Bratschenkonzerte des späten 18. Jahrhunderts. Eine Meisterleistung ist die Interpretation des Konzert des populären Mozart-Zeitgenossen Antonio Rosetti, den Mönkemeyer seinem Publikum als „Britney Spears“ seiner Epoche vorstellt. Anders als viele Kollegen scheitert Mönkemeyer nicht an der scheinbar dünnen Substanz der frühklassischen Musik. Wie er mit beseelt hellem, der hohen Cellolage verwandten Ton die Führung übernimmt, wie er über eine simple Triole in Viervierteltaktumgebung zu staunen vermag, und wie er singend an jede Note der schlichten Kantilene im langsamen Satz glaubt, das ist nicht nur die Wiederentdeckung eines Werks, sondern die Wiederentdeckung eines Virtuosentyps, der sein Publikum am Prozess des Entstehens von Musik teilhaben lässt. Solche Künstler kann nicht nur die Bratsche gebrauchen.
Nils Mönkemeyer, Dresdner Kapellsolisten, Helmut Branny: „Weichet nur, betrübte Schatten“. Bratschenkonzerte von Franz Anton Hoffmeister und Antonio Rosetti, Arrangements von Bach (Sony)