zum Hauptinhalt
Das Grab des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, dem Vater des verstorbenen Cornelius Gurlitt, auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf. Cornelius Gurlitt hatte die Sammlung seines Vaters vor seinem Tod im Mai 2014 dem Kunstmuseum Bern vermacht - das das Erbe nun antreten will.
© dpa

Gurlitt und die Folgen des "Schwabinger Kunstfunds": Kunstmuseum Bern tritt Gurlitt-Erbe an

Jetzt ist es offiziell: Das Kunstmuseum Bern tritt das umstrittene und schwierige Gurlitt-Erbe an. Und die Bundesregierung betont ihre moralische Verantwortung.

Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt offiziell an. Der Stiftungsratsvorsitzende des Museums, Christoph Schäublin, die Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Monika Grütters (CDU) und Bayerns Justizminister Winfried Bausback unterzeichneten am Montag in Berlin eine Vereinbarung zum Umgang mit dem Nachlass Gurlitts. Diese sieht vor, dass NS-Raubkunst oder unter Raubkunst-Verdacht stehende Werke aus der Sammlung in Deutschland bleiben, wie bereits am Wochenende bekannt geworden war. Ziel sei, dass bei allen Werken die Herkunft geklärt werde.

Stiftungsratspräsident Schäublin erklärte dazu, die Entscheidung sei dem Museum nicht leicht gefallen. Triumphgefühle habe die Nachricht vom Erbe nach dem Tod des Kunsthändlersohns im Mai dieses Jahres nicht ausgelöst, musste das Haus doch klären, ob man der "ungewöhnlich komplexen Verantwortung" gerecht werden könne. Einer Verantwortung "gegenüber denjenigen, deren unfassbares Leid in Teilen der Sammlung fortwirkt; gegenüber denjenigen, die nach Jahrzehnten berechtigte Ansprüche geltend machen" und auch gegenüber der Öffentlichkeit sowie "der Sammlung selbst, die wertvolles Kunstgut enthält". Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung mit dem Bund und Bayern stehe man erst am Anfang eines langen gemeinsamen Wegs.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte die besondere deutsche Verantwortung bei der "rückhaltlosen Aufarbeitung nationalsozialistischen Kunstraubs". Ihr wolle man mit der Ausgestaltung der Vereinbarung nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch gerecht werden. Dem schloss sich Bayerns Justizminister Winfried Bausbach an. Gleichzeitig fügte er an, dass er sich weiter für die Umsetzung rechtspolitischer Konsequenzen einsetzen werde. Gemeint ist der Entwurf eines Kulturgut-Rückgewähr-Gesetzes, dass es bösgläubigen Besitzern von Raubkunst unmöglich machen soll, sich auf die Verjährung von Herausgabeansprüchen zu berufen.

Auch Bayern stimmte der Vereinbarung zu, derzufolge alle raubkunstverdächtigen Bilder des Schwabinger Kunstfunds in Deutschland verbleiben, auf der Datenbank Lost Art eingestellt werden können und nach den Washingtoner Prinzipien zurückgegeben werden. Auch der Freistaat beteiligt sich finanziell an der Taskforce zur Klärung der Provenienzen der Gurlitt-Sammlung.

Taskforce will 2015 zu jedem Werk einen Bericht vorlegen

Vor der offiziellen Unterzeichnung der Vereinbarung waren bereits weitere Details zwischen dem Museum, dem Bund und Bayern durchgesickert. So sollen die unter Raubkunst-Verdacht stehenden Bilder aus dem "Schwabinger Kunstfund" vorerst in Deutschland bleiben, wie es von der Taskforce zur Klärung der Gurlitt-Provenienzen unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel vorgeschlagen worden war. Es handelt sich um 492 Werke. Ähnliche Regelungen sollen laut "Spiegel" für rund 300 Bilder vereinbart worden seien, die in Gurlitts Haus im österreichischen Salzburg entdeckt wurden. Die Bundesrepublik will sich außerdem zur Übernahme der Rechtskosten verpflichten, sollte das Berner Museum auf die Herausgabe von Werken verklagt werden.  

Die Vereinbarung sieht nun vor, dass die Untersuchung der Kunstwerke auf Kosten von Bund und Bayern weitergeführt und außerdem auf die im Salzburger Haus von Gurlitt aufgefundenen sowie eventuell zusätzlich noch auftauchende Bilder ausgeweitet wird. Im Laufe des Jahres 2015 will die Taskforce dann zu jedem dieser Werke einen Bericht vorlegen. Die nun herrschenden "klaren Verhältnisse" sollen die Arbeit beschleunigen.

So sollen Werke, bei denen es sich nach Ergebnissen der Taskforce offenkundig um Raubkunst handelt, durch den Bund umgehend restituiert werden, sobald ein rechtmäßiger Besitzer identifiziert ist. Werke, deren Provenienz sich nicht zweifelsfrei klären lässt, sollen wiederum auf lostart.de veröffentlicht werden, mit dem Ziel der größtmöglichen Transparenz, wenn das KMB sie nicht übernimmt. Ansonsten sollen sie, ebenso wie Bilder, die nach Taskforce-Befund keine Raubkunst sind, an das KMB gehen und würden von da ab dessen Verantwortung unterliegen.

Werke, die vom NS-Regime als "Entartete Kunst" aus deutschen Museen entfernt wurden, sollen in die Schweiz gehen, sofern auch hier kein Raubkunstverdacht besteht. Das KMB soll aber Leihanfragen von Museen, die durch den Entzug des jeweiligen Werkes betroffen waren, bevorzug behandeln und diesen wenn möglich nachkommen.

Gurlitt-Cousine Uta Werner erhebt Anspruch auf das Erbe

Überschattet wird die Einigung über die Zukunft des Schwabinger Kunstfunds allerdings wie berichtet von einem Antrag der 86-jährigen Gurlitt-Cousine Uta Werner, die vor dem Nachlassgericht München Anspruch auf das Erbe erhoben und einen Erbschein beantragt hat. Nach Angaben ihres Sprechers wird Werner von ihren Kindern sowie einzelnen Söhnen und Enkeln ihres Bruders Dietrich unterstützt. Die betagten Geschwister Uta und Dietrich wären die gesetzlichen Erben gewesen. Dietrich Gurlitt hat bisher keine Ansprüche erhoben und sich stets dafür ausgesprochen, dass der letzte Wille seines Cousins Cornelius erfüllt werden soll. Ein von Uta Werner in Auftrag gegebenes Gutachten zweifelt nun allerdings seine Testierfähigkeit an.

Bis über diesen Antrag gerichtlich entschieden ist, wird einige Zeit vergehen, die Causa Gurlitt kommt damit ins Stocken.

Das Kunstmuseum Bern will das Gurlitt-Erbe antreten.
Das Kunstmuseum Bern will das Gurlitt-Erbe antreten.
© dpa

Auch bei Spitzwegs Zeichnung soll es sich um Raubkunst handeln

Nach zwei ersten als Raubkunst identifizierten Werken von Max Liebermann und Henri Matisse soll es sich jetzt auch bei Carl Spitzwegs Zeichnung „Das musizierende Paar“ um Raubkunst handeln, wie das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet. Cornelius' Vater Hildebrand Gurlitt soll die Zeichnung weit unter Wert von dem jüdischen Sammler Henri Hinrichsen erworben haben. Hinrichsen starb 1942 in Auschwitz. Seine in den USA lebende Enkelin Martha Hinrichsen erhielt jetzt von der Taskforce die schriftliche Bestätigung: Der Verkauf des Bildes war erzwungen.

Aber auch die Rückgabe des Spitzwegs könnte sich wegen der anstehenden Entscheidung des Nachlassgerichts nun hinziehen. Mehrere hundert Bilder der Sammlung stehen im Verdacht, NS-Raubkunst zu sein. Gurlitt hatte kurz vor seinem Tod mit der bayerischen Landesregierung und der Bundesregierung eine Einigung getroffen, die vorsieht, dass die Besitzverhältnisse seiner Bilder geklärt und im Fall von Raubkunst faire Lösungen mit den rechtmäßigen Besitzern getroffen werden.

Auch die Gurlitt-Familienmitglieder, die mittlerweile einen Erbschein beantragten, sind laut "Focus" für die "bedingungslose Rückgabe". Sie stimmten zudem von ihrer Seite vorsorglich der "sofortigen Rückgabe der bereits eindeutig identifizierten Raubkunst-Bilder" zu. (Tsp mit dpa)

Zur Startseite