Elisabeth Trissenaar zum 70.: Königin, Dame, Biest
Selbst ihr Mann nennt sie "die Trissenaar": In einer Zeit, in der dem Theater die Diven fehlen, ist Elisabeth Trissenaar eine absolute Ausnahmeerscheinung. Nun wird die Schauspielerin 70.
Göttinen gibt es nicht mehr. Zwar grassiert im Showbusiness noch das Wort „Diva“. Aber meist wird es nur gedankenlos dahingesagt, denn gemeint sind doch allenfalls etwas allürenhafte Popladies oder Filmstars. Ein Star ist indes noch keine Diva. Eine Diva war die Duse oder die Callas, ist jetzt vielleicht die Netrebko, ja, in der Oper mag’s das noch geben. Und im Film dank Meryl Streep oder Catherine Deneuve. Doch im Theater?
Bei Elisabeth Trissenaar, die am Sonntag kaum glaublich (schon) ihren 70. Geburtstag feiert, fährt einem ein Bild der Diva tatsächlich in den Sinn. Sie ist groß, eine Erscheinung, gekrönt von ihrer Löwenlockenmähne. Und sie hat immer groß gespielt, die äußersten Grenzgängerinnen, meist in den Inszenierungen ihres Mannes Hans Neuenfels, mit dem sie – zu ihrer beider unerschöpflich bezaubernder Verwunderung – seit einem halben Jahrhundert zusammen ist. In seinen wilden, wagemutigen, hochgreifenden Aufführungen war sie fast immer die Titelfigur, das Fräulein Julie, die Nora, Hedda Gabler, Medea, Iphigenie, Elektra, Franziska, Penthesilea, Bernarda. Auch Clara Schumann im Musiktheater.
Keine Schauspielerin ihrer Generation hat solch einen Rollen-Katalog der Weltliteratur, von Sophokles bis Goethe, von Kleist, Strindberg, Ibsen bis Wedekind und Garcia Lorca. Und wenn ihre Landsfrau Elfriede Jelinek vor ein paar Jahren fürs Deutsche Theater Berlin einen tragisch-sarkastischen Reigen der „Jackie und andere(n) Prinzessinnen“ erfindet, dann spricht die Theaterkönigin Elisabeth T. den Monolog der Präsidentenwitwe Jackie K.
So wurde sie früh „die Trissenaar“, wie Neuenfels selber sie offiziell nennt (ansonsten: Sissi, schließlich ist sie in Wien geboren). Im Wiener Max-Reinhardt-Seminar haben sie sich Anfang der 60er Jahre kennengelernt, waren in einer auf- und ausbrechenden schauspielstudentischen Urhorde zusammen mit Ulrich Wildgruber und Franz Xaver Kroetz. Haben dann gemeinsam von Heidelberg, Stuttgart, Frankfurt, Berlin aus die deutschsprachige Theaterszene erobert. Kamen auch zurück nach Wien, ans Burgtheater, wo die Wahlberlinerin Elisabeth Trissenaar mit Klaus Maria Brandauer das entfesselte Säuferpaar Martha und George in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ gespielt hat und jetzt gerade mit Helmuth Lohner zusammen in der Josefstadt das infamose Liebesmörderduett „Quartett“ von Heiner Müller verkörpert.
Wirklich verkörpert. Sie macht Sprache, Dichtung, Dramatik ungemein plastisch, früher mit furioser Wucht, heute oft mit feiner Ironie. Sie hat ein weich wehmütiges Lachen, das zum Entsetzensschrei werden kann. Sie ist bürgerliche Dame und jähes Biest, eine luzide Sprachkünstlerin (auch als Leserin) und kann selbst das Pathos in schöner Schwebe halten. Diese Begabung verdichtet sie auch vor der Kamera: in Fassbinders „Bollwieser“, der „Ehe der Maria Braun“ oder in „Berlin Alexanderplatz“; einen wunderbaren Seitenauftritt hatte sie in Doris Dörries Filmkomödie „Keiner liebt mich“, und in TV-Dramen kann sie mit einem Augenaufschlag, Mundzucken und etwas Wiener Schmäh ein Gegenüber vernichten oder als italienische Mamma mit rollendem Gaumen (in Joseph Vilsmaiers „Vera, die Frau des Sizilianers“) handfest entzücken. Auch das.
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