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Dagmar Manzel.
©  Komische Oper Berlin

Werner Richard Heymann: Kommt das nie wieder?

Er schrieb Evergreens wie "Ein Freund, ein guter Freund" oder "Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder". Und doch kennt Werner Richard Heymann heute niemand mehr. Das Land Berlin, die Komische Oper und Dagmar Manzel haben in einem Konzert an ihn erinnert.

Die Nazi-Zeit? Ist doch lange her. Aber nicht so lange, wie man meinen könnte. Damals wurden Fakten geschaffen, die noch heute viele Lebensberereiche prägen – was aber niemandem mehr so richtig bewusst ist. Im Kulturbereich etwa hat ein gigantischer, staatlich verordneter Gedächtnisverlust für Kahlschlag gesorgt. Spielpläne und Konzertprogramme würden heute anders aussehen, wären Komponisten wie Gideon Klein, Viktor Ullmann oder Pavel Haas nicht im Holocaust umgekommen. Und so geht man ins Theater, hört Lieder wie „Ein Freund, ein guter Freund“ oder „Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder“ – und weiß gar nicht mehr, wer das geschrieben hat.

Es war Werner Richard Heymann (1896–1961), geboren in Königsberg, ab 1912 in Berlin. Am Dienstag hat das Land Berlin ihm an der Komischen Oper im Rahmen des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt“ einen ganzen Abend mit Dagmar Manzel gewidmet. Eine Tiefenbohrung sozusagen: Einer wird herausgegriffen und besonders sichtbar gemacht, stellvertretend für die vielen, die weggehen mussten oder ermordet und vergessen wurden.

Heymann, ein Star der späten Weimarer Republik, hat ein neues Genre geschaffen, die Tanzfilm-Operette. Höhepunkt: die Musik zu „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) und „Der Kongress tanzt“ (1931). Für diesen Film hat er „Das gibt’s nur einmal“ geschrieben, das Lied, das sein Vermächtnis werden sollte. Doch als Jude schmiss ihn die UFA sofort nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten raus, am 8. April 1933 emigrierte Heymann nach Paris. Genau 80 Jahre nach der Flucht also das Konzert.

Berührend, wie sich die wunderbare Dagmar Manzel der Welt Heymans anverwandelt, ohne den Stil der 20er und 30er Jahre einfach zu kopieren. Bronzen in der Tiefe, glockenhell und reizvoll gebrochen in der Höhe, so interpretiert sie, die ja eigentlich Schauspielerin ist, seine Lieder. Chamäleongleich schlüpft sie in die Rollen, ist Polizist, rotziges Mädchen, Arbeiter, Zuhälter, rennt durch die Hannoversche Straße auf der Flucht vor der „Sitte“ – und lässt so nebenbei ein altes, raues, proletarisches Berlin wiedererstehen, das nach Krieg und Mauerbau auch nur noch ferne Erinnerung ist. Begleitet wird sie von Knut Webers elegisch trauerndem und verliebt säuselndem Cello, außerdem von Klavier (Tal Balshai), einer türkischen Duduk (Özgür Erzoy) und Percussion (Andreas Weiser). Robert Gallinowski erzählt dazu Anekdoten aus Heymanns Leben.

Die beiden Redner, Intendant Barrie Kosky und Berlins Regierender Klaus Wowereit, wünschen sich, dass dieser Abend ein Zeichen setzen möge: Der Faschismus hat nicht gesiegt. Ja, das Konzert ist ein Signal – gegen die unsägliche, von den Nationalsozialisten gewollte Kulturamnesie. Möge es nicht so schnell wieder versanden. Barrie Kosky arbeitet daran: im Juni inszeniert er Paul Abrahams „Ball im Savoy“. Udo Badelt

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