Zum 80. Geburtstag von Dieter Hallervorden: Komik ist Knochenarbeit
Die Souveränität des Alters: Mit 80 muss man keine Kritiker mehr überzeugen, sagt unser Gastautor Eckart von Hirschhausen und gratuliert damit Dieter Hallervorden zum runden Geburtstag.
Von einer einsamen Insel träumen viele. Er hat eine. Dieter Hallervorden hat mich einmal sehr verblüfft, als er verriet, warum er sich so gern auf sein Eiland in der Bretagne zurückziehe. „Ich ertrage den Lärm der Stadt nicht auf Dauer. Ich brauche die Stille.“ Das mag Menschen überraschen, die denken, Komiker würden ohne Lacher und Applaus eingehen. Dieter Hallervorden blüht auf, wenn er in seinem Garten vor sich hinbuddelt. Und etwas Inselhaftes haftet ihm an, bei jeder unserer Begegnungen in Berlin. Er ist ein extrem höflicher Mensch mit einer sehr gepflegten Sprache, und dennoch bleibt ein Gefühl, diesen so facettenreichen Mann, Autor, Theaterdirektor und Schauspieler nie so ganz zu fassen zu bekommen. Zu seinem 80. Geburtstag an diesem Samstag wage ich dennoch den Versuch.
Den ersten Eindruck aus der Ferne mit dem, den ich aus dem Fernsehen kannte, war im Schöneberg-Palast – ausgerechnet auf einem FDP-Parteitag. Dorthin nahm mich mein Vater mit, weil ich mich schon als Schüler für politisches Kabarett interessierte und Hallervorden dort auftrat. So erlebte ich ihn gleich als engagierten, politisch denkenden Kabarettisten und Bühnenprofi, und viel weniger als den Fernsehkomiker. Zeitsprung. Ein aktueller Eindruck: der Deutsche Filmpreis. Preise bekommt man meist dann, wenn man sie nicht mehr braucht. Als Dieter Hallervorden 2014 mit 79 Jahren die „Lola“ in der Kategorie Bester männlicher Hauptdarsteller für „Sein letztes Rennen“ bekam, flocht er in seine Dankesrede eine deutliche Spitze ein: „Für mich bedeutet der Preis eine große Genugtuung, weil er eine saftige Ohrfeige für alle Möchtegernkritiker ist, die mich als Komödianten jahrzehntelang abgewatscht haben, weil sie nicht erkennen konnten, wie viel Begabung dazu gehört, etwas Schweres leicht darzustellen.“ Das saß. Und offenbar tief.
Bis die Protagonisten mitlachen
Eine der seltsamen Wahrheiten über das öffentliche Leben als Künstler: Man kann sich nicht aussuchen, wofür man geliebt wird. Als Komiker hat man es geschafft, wenn ein einziges Wort genügt, um im Alltag zitiert eine ganze Welt entstehen zu lassen und ein Lächeln der Erinnerung auf die Gesichter aller Anwesenden zu zaubern. Diejenigen, die das schaffen, kann man an einer Hand abzählen. Selbst wenn man im Sägewerk arbeitet: „Hurz“, „Herrenboutique“ oder eben „Palim Palim“. Dieter Hallervorden hat so viel mehr geschaffen. Komik ist ernsthafte Knochenarbeit. Nie ließ er sich doubeln, immer hing er selbst auf den Motorhauben, oder strampelte auf einem rollenden Krankenbett bergab. So schafft man es an die Spitze. Nur einmal brach er das eherne Gesetz, über seine eigenen Witze nicht zu lachen, in dem legendären Sketch über den Irrsinn des „Mondscheintarifs“ der Telekom. Für „Spottlight“ spielte er mit Frank Lüdecke in den Wühlmäusen vor einem Publikum, das Satz für Satz ausrastete und sich überhaupt nicht mehr einbekam. Bis es die Protagonisten riss und beide auf der Bühne mitlachen mussten. Die Nummer ist bis heute ein Meisterwerk. Und einer der wenigen Sketche, die im Fernsehen liefen, wo Lacher nicht rein-, sondern rausgeschnitten werden mussten.
Was heute so aus der Zeit geschlagen scheint, war jahrelang seiner Zeit voraus. „Nonstop Nonsens“ war neben „Klimbim“ und Loriot ein Lichtblick dieser Jahre, in denen ich zu jung war, um das zu beurteilen. Aber ich durfte es sehen. Immerhin. Prägend für eine ganze Generation. Eine Nation. Aber Dieter Hallervorden ist nicht Didi. Und auch nicht Dada. Er ist ein Schauspieler, der Erfolg hatte mit einer Rolle, die er spielte, und nicht war. Als ich anfing, aus meinem Hobby einen Beruf zu machen, fragte er mich, ob ich ein paar medizinische Gags zu seinem Programm zum Thema Altern schreiben könnte. Gegen Bezahlung. Ich war so geschmeichelt wie überfordert und fand dies in einem amerikanischen Comedy-Buch: Wann ist man alt? Wenn man beim Schuhezubinden überlegt: Was könnte ich noch erledigen, wo ich schon mal hier unten bin?
Auf der Bühne ist nichts zufällig
Als ich versuchte, ihm den unterzujubeln, war dem alten Hasen sofort klar, wohin beziehungsweise woher der Hase läuft, und es blieben nur wenige Zeilen im endgültigen Text übrig, für die ich akkurat nach Prozentanteil der Bühnenminuten entlohnt wurde. Unbezahlbar war, ihn beim Proben beobachten zu können. Stundenlang wurden Details erarbeitet, präzise, fast besessen von einer inneren Vorstellung, wie es perfekt zu sein hätte. Hallervorden liebt das Theater, so sehr, dass er sich und uns Berlinern mit der Wiedereröffnung des Schlosspark-Theaters ein großes Geschenk machte. Auf eigene Kosten. Respekt! Auf der Bühne ist nichts zufällig, obwohl es so aussehen soll, als wäre es gerade im Moment entstanden. Komik ist die nackteste aller Künste. Die erbarmungsloseste. Wenn das Publikum nicht lacht, ist immer der Komiker schuld. Nie das Publikum. Steht man in der Galerie vor einem Bild und versteht es nicht, bleibt das Bild davon unberührt.
Die größte Angst eines Komikers ist, irgendwann „out“ zu sein. Dieter Hallervorden hat diese Angst ins Gegenteil verkehrt und legt gerade schauspielerisch ein Alterswerk vor, gegen das die meisten Jüngeren wirklich alt aussehen. Damit auch ja niemand auf den Gedanken kommt, „Sein letztes Rennen“ sei irgendwie auf ihn zu beziehen, kam mit „Honig im Kopf“ ein weiterer Höhepunkt seines Schaffens in die Kinos und erreichte sieben Millionen Zuschauer mit dem sperrigen Thema Demenz. An seinem heutigen Geburtstag ehrt in die ARD mit einem neuen Spielfilm, „Chuzpe“. Und einem persönlichen Porträt. Das Schöne: Mit 80 muss man keine Kritiker oder Kollegen mehr überzeugen. Man tut es einfach. Glückwunsch!
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