Eröffnung des „Foreign Affairs“-Festivals: Knapp vorbei, voll daneben
Was macht der Fuchs im Pool? Und die Fußballleinwand im Garten? Auftakt des „Foreign Affairs“-Festivals im Haus der Berliner Festspiele.
Viel wird ja in WM-Tagen über die Parallelen von Theater und Fußball schwadroniert. Binsen über Dramatik, Teamplay oder den tragischen Helden machen die Runde. In diesem Zusammenhang überraschten die Berliner Festspiele nun mit einer einmaligen Chance, die allerdings leider kaum jemand ergreifen wollte; jedenfalls aufseiten der Fußballfans. Sie bestand darin, sämtliche euphemistischen Klischees über die Ähnlichkeit beider Disziplinen ein für alle Mal zu entsorgen. Denn zum Auftakt seines internationalen Theater-, Tanz- und Performance-Festivals „Foreign Affairs“ am Donnerstagabend ließ der Leiter Matthias von Hartz tatsächlich Fußball und Theater im Direktvergleich gegeneinander antreten, wobei die Kunst eindeutig nicht als Sieger vom Platz ging.
Also: auf 80,49 Millionen Fernsehern landesweit Deutschland gegen die USA, Jogi Löw gegen Jürgen Klinsmann, „Wir gegen uns“, wie die „FAS“ titelte. Und zeitgleich auf der Seitenbühne des Festspielhauses: Mann gegen Frau, Jens Harzer gegen Marina Galic und auch irgendwie „Wir gegen uns“, weil die beiden Schauspieler vom Hamburger Thalia Theater tatsächlich ein Paar sind.
Der fußballerische Feldvorteil deutet sich bereits vor dem Anpfiff an. Nicht wenige Plätze im Zuschauerraum bleiben leer, zumal es die Festspiele wirklich schonungslos genau wissen wollen und das Spiel auch noch selbst auf Großleinwand im eigenen Garten übertragen. Beim deutschen Tor hört man durch die Seitenwand Party-Jubel.
Das erste Stück: dramatisch nur bedingt abendfüllend
Die Schauspieler trifft keine Schuld, dass das Theater auf dem Platz so klar unterlegen ist. Es handelt sich eher um ein Taktikproblem. „Ende einer Liebe“ heißt der Abend, den der Franzose Pascal Rambert als Autor und Regisseur in Personalunion erstmals 2011 beim Festival d’Avignon zeigte und seither quer über die Kontinente Schauspieler-Duos nachinszenieren. Ramberts Text beginnt mit dem Satz „Es ist aus“ und endet zwei Stunden später mit der Feststellung: „Es ist vorbei.“
Dazwischen sagt der Mann Sätze wie: „Du liebtest das Gefühl der Liebe. Aber liebtest du mich?“ Und sie: „Du hast dir mich genommen. Du wirfst mich weg.“ Und er: „Natürlich haben deine Brüste, dein Blick sehr viel in mir entfacht. Auch dein Gehirn. Aber es gibt einen Moment, da muss man Stopp sagen.“
Wohl wahr. Aber in Konkurrenz zu zielstrebigem Schlagabtausch, an deren Ende ein sicherer (Gruppen-)Sieger steht, dramatisch halt nur bedingt abendfüllend. Zumal erschwerend hinzukommt, dass beim „Ende einer Liebe“ keinerlei Passspiel, keine Flankenläufe und noch nicht mal mehr Beißattacken stattfinden. Es ist bloß ein Endspiel. Jens Harzer und Marina Galic stehen maximal voneinander entfernt im leeren Raum und resümieren ihre verflossene Beziehung nacheinander in einem jeweils einstündigen Monolog, was sie wirklich mit maximaler Darstellungsqualität und Würde meistern.
Das Kollektiv FC Bergmann inszeniert den Duellgedanken weiter
Mit Duellen geht es dann programmatisch weiter am dreigliedrigen Eröffnungsabend: Fuchs gegen Wolf, Natur gegen Kultur, Meer gegen Pool lautet die Anschluss-Partie von FC Bergman auf der großen Bühne. Die belgische Theatertruppe holt aus der Uraltfabel vom bösen Reineke, der dem Kleinbürger Wolf das Leben zur Hölle macht und dafür am Ende eigentlich mit höchsten Würden belohnt wird, einen Gruselschocker heraus. Eine Art Mixtur aus „Wallander“, Lars von Trier und „Der Swimmingpool“, an deren Ende sich der Fuchs nach einer vom Ensemble Kaleidoskop atmosphärisch verdichteten Arie selbst richtet – weil der Wolf den Pistolenabzug nicht zu drücken imstande ist.
Leider entladen sich die Einstiegsphilosophien über die Moral, das Gesetz und jene Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft – oder umgekehrt, letztlich in ebenso überschaubaren Dualismen wie Bühnenbild und Plot. Vorn der exzessiv beschwommene Pool der Spießer-Familie Wolf; hinten, abgetrennt durch eine Glaswand, die düsteren füchsischen Wälder, aus denen in hoher Frequenz blutige Leichen hereingeschleppt werden.
Immerhin tun sich hier endlich doch noch WM-Parallelen auf, wenn auch weniger zum Sport selbst als vielmehr zur wunderbar peinlichen Begleitberichterstattung. Wichtigste Erkenntnis des Abends: Die Gender-Welt ist auf der Festspielbühne in genauso herrlicher Retro-Ordnung wie bei den Fernsehsendern. Die Jungs kämpfen wie Mats und kommentieren wie Olli, die Mädels hüpfen die Atmo herbei wie Fernanda Brandao oder baumeln wie Katrin Müller-Hohenstein im Pool, und zwar nicht nur mit den Füßen, sondern komplett und lasziv.
Schade, dass Matthias von Hartz ausgerechnet den letzten Beitrag des Eröffnungsabends im nächtlichen Spätprogramm in der Kassenhalle versteckt hat: eine lustige Duell-Show von Theater Replacement und Neworld Theatre, in der zwei Akteure mit voller konzeptioneller Absicht und Grandezza daran scheitern, die Welt klar in „Winners & Losers“ einzuteilen!
Noch einmal am Samstag: „Ende einer Liebe“, 20 Uhr, „Winners & Losers“ 21 Uhr.
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