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Tenor-Ukulele an der Hand eines Promis: Auch Eddie Vedder hat die Ukulele nun für sich entdeckt - und veröffentlichte für sie gleich ein eigenes Album.
© D. Clinch / Universal Music

Faszination Ukulele: Kleine für alle

Vier Saiten, eine Welt: Selbst Größen wie Eddie Vedder spielen heute die Ukulele. Aber das ist eigentlich gar nicht wichtig, beziehungsweise: Wichtig ist, dass das unwichtig ist. Eine große Würdigung eines kleinen Instruments.

Wir erinnern uns: In den 1990er Jahren kannte man an Ukulelespielern hierzulande eigentlich nur Götz Alsmann und Stefan Raab. Hinzu kam – als zeitlose Ikone – noch Marilyn Monroe, und in irgendwelchen Folkkellern gab es bestimmt irgendwelche Freaks, die ihren Privatkult um das Instrument führten, das, wie sie lehrten, eine um die vorletzte Jahrhundertwende auf Hawaii entstandene Modifikation der portugiesischen Cavaquinho war, was heute jeder bei Wikipedia nachlesen kann. Es gab daneben sicher auch andere ausgemachte Virtuosen, von denen man aber nichts wusste, weil es noch kein Youtube gab und damit auch kein Interesse daran, Leuten dabei zuzugucken, wie sie an skurrilen Orten in skurrilen Outfits skurrile Dinge tun.

Die neunziger Jahre, in denen die Ukulele noch ein Orchideendasein fristete, waren aus heutiger Sicht sowieso anders. Damals war Pop, also der richtig große Mainstream-Pop, noch eine ernste Sache, damals gab es noch Axl Rose und Hardrock im Stadion, es gab Boyband-Hysterie bis zum Freitod, Girl Power mit Botschaft und die gnadenlos überschätzten Oasis. Es gab Geld für alles, es gab MTV, es gab aufwändig produzierte Musikvideos und Leute, die aufwändig produzierte Musikvideos sehen wollten. Ja, es gab Wohngemeinschaften, in denen beständig Musikfernsehen lief.

Heute wäre das alles undenkbar. Zwar wird niemand beweisen können, dass der Niedergang des Musikfernsehens auch mit dem Aufkommen von Youtube koinzidiert. Aber man wird doch festhalten dürfen, dass MTV heute gar keinen Platz mehr in unseren Leben hätte - das würde spätestens dann offenkundig, wenn wieder jemand ruft „Da gibt es doch dieses Video“, und ein anderer ruft „Zeigen!“ und eine dritte ruft „Mach’ doch mal kurz die Musik aus!“ Oft genug – und das ist der Link zurück zur Ukulele – bekommt man dann auf dem Laptop oder Smartphone Videos gezeigt, in denen sie „es“ tun, die Jake Shimabukuros und MC Eisbommis dieser Welt, die auf ihren winzigen Zupfinstrumenten alles spielen von Bach bis Heavy Metal.

Man geht wohl nicht zu weit, wenn man vor diesem Hintergrund sagt, dass das Instrument der medial induzierten Verkleinerung des Pop auf Youtube-Format genau dieses ist: die Ukulele. Wie sonst ist auch der Hype um die Mini-Gitarre, der sich in Berlin immer mehr Sing- und Spielkreise, ein eigener Laden und ein eigener Verein widmen, zu erklären? Damit, dass die gängige Sopran-Ukulele ein fantastisches Instrument ist, das – indem es an die Brust gedrückt den menschlichen Körper resonieren lässt – eine ungeahnte Klangfülle besitzt? Dass die Kombination „verkleinerter Gitarrenkorpus plus Nylonsaiten plus A-D-Fis-H-Stimmung“ so fantastisch funktioniert wie die primitiven Wirbel, wenn man sich einmal an deren hohen Wirkungsgrad gewöhnt hat? Dass die Ukulele im Gegensatz zur ähnlich großen Mandoline gar nicht so schwer zu greifen ist?

All das hätte man schon lange wissen und spielen können, und die mit ihrem chronischen Bassmangel dann doch leicht defizitäre Ukulele hätte auch zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der Popmusik einen interessanten Kontrapunkt zur perfektionistischen Sphäre der Studiomusik gegeben. Deshalb ist es auch Quatsch, wenn man, wie es Ben Sisario jüngst in der „New York Times“ tat, ihr neuerliches Reüssieren darauf zurückführt, die Ukulele biete einen „folksy, hands-on kind of musical humility that’s hard to find in an age in thrall to ,American Idol’ and Guitar Hero“. Man ersetze „American Idol“ durch MTV und Guitar Hero durch eine x-beliebige Boyband und man hat die gleiche Distanzierungsbewegung in Bezug auf den Kommerz-Pop eines anderen Jahrzehnts: den der Neunziger.

Eine plausiblere Erklärung des derzeitigen Ukulelenfiebers könnte sich daher ansatzweise medientheoretisch lesen: Genau wie Youtube MTV zerstört hat und Musik-Downloads das Album, hat die Ukulele im öffentlichen Raum das Zeitalter der Gitarre beendet. Sie passt zu einem Zeitgeist, der an großformatigen Präsentationen kein Interesse mehr zeigt. Denn: Niemand hat mehr Lust auf MTV-Bedröhnung, und kaum einer hört noch ein ganzes Album durch.

Ebenso wird es immer seltener, dass auf Parties jemand seine Gitarre „rausholt“. Gitarren haben etwas Trennendes, durch ihre Größe, ihre Körperlichkeit schaffen sie eine Aufführungssituation, die selbst bei lustig gemeintem Liedgut immer ernst wirkt. Bei der Ukulele ist das anders. Sie verbindet. Statt einer Frontalsituation schafft sie, indem sie leicht und ohne großes Klongklong und "Ich reich' das mal kurz rüber" von Hand zu Hand wandert, ein Netzwerk. Wer küssen möchte, reißt das Instrument hoch und schlingt der oder dem zu Küssenden den Arm mitsamt Ukulele um den Hals. Situationen, als die Spieler von Zupfinstrumenten im Abseits vor sich hinpingelten, sind mit der Ukulele vergessen – und genau das passt so wunderbar in die Zeit des kleinformatigen, aber wohlgesetzten Auftritts, das Youtube geschaffen hat.

Dass der Ukulele-Faszination zunehmend auch Größen des Musikbetriebs erliegen, scheint da nur normal. Wo sich Aufmerksamkeit bündelt, dürfen die Alphatiere der Branche nicht fehlen. Doch entspricht das tatsächlich der Logik dieses Instruments? Beziehungsweise: Entspricht das dem derzeitigen Hype um dieses Instrument, der sich eben nicht im Besuch der Konzerte ukulelespielender Stars erschöpft, sondern im massenhaften Selbermachen? Wohl eher nicht. Genau aus diesem Grund wurde an dieser Stelle der eigentliche Aufhänger dieses Textes auch prominent ignoriert: die Tatsache nämlich, dass Eddie Vedder, Frontmann der Rockband Pearl Jam, nun eine Platte namens „Ukulele Songs“ (Universal Music) veröffentlicht hat, darauf 16 Songs, die Vedder zu ebenjener Ukulele singt. "Wie viele andere" sei er geschockt gewesen von den Möglichkeiten des Instruments, sagte Vedder der „New York Times“ – und eben weil er diese Erfahrung mit so vielen teilt, widerspräche eine besondere Würdigung an dieser Stelle der zutiefst basisdemokratischen Natur der Ukulele. Zumal Vedders Album, das, so schön es tatsächlich ist, mit Gitarren sicher noch voller geklungen hätte, nur eins beweist: dass sich die Ukulelenkultur – Ausnahmen wie die 2010 in Deutschland zum Hit gewordene „Somewhere over the Rainbow“-Version des 1997 verstorbenen Hawaiianers Israel „Iz“ Kamakawiwo’ole bestätigen die Regel – viel besser eignet, dem Studiopop Konkurrenz zu machen, als in ihm aufzugehen. Vedder darf gerne mitspielen. Eine große Bühne für das kleine Instrument bekommt aber auch er nicht.

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