Tropa de Elite: Wer mit dem Teufel kämpft
Umstritten: "Tropa de Elite", der brasilianische Berlinale-Gewinner von 2008 bewegt sich in der Gefahrenzone zwischen Exploitation-Kino und politischer Klage.
Groß war die Verwunderung, als die Berlinale-Jury 2008 „Tropa de Elite“ ihren Hauptpreis gab. Eine „eintönige Feier guter Gewalt, ein Rekrutierungsfilm für faschistische Verbrecher“, will das Branchenblatt Variety damals gesehen haben.
Wer mit offenen Augen im Kino sitzt, kann nicht ernsthaft behaupten, dieser Film hieße gut, was er zeigt. Im Gegenteil: Nichts ist sicher vor dem Zorn des Regisseurs. Allerdings ist „Tropa“ auch nicht das zart fühlende Sozialdrama für die Nachtschiene auf arte. Regisseur José Padilha macht sich die Hände schmutzig: „Tropa de Elite“ versucht eine radikale Darstellung von Polizeigewalt in Rio de Janeiro – in der Gestalt eines reißerischen Thrillers. Der Film traf einen Nerv: mehr als elf Millionen Brasilianer sollen „Tropa“ bereits als Raubkopie gesehen haben, als der Film 2007 ins Kino kam. Er wurde dennoch zum erfolgreichsten brasilianischen Film des Jahres.
Wie Fernando Meirelles in „City of God“ (und etliche Filmemacher danach) zeigt auch Padilha eine sich selbsttragende Spirale der Verrohung. Sein Film aber stellt nicht die Slumkinder in den Mittelpunkt, sondern die Polizisten, und er beruft sich dabei auf den Bericht eines Insiders. Die Polizisten von Rio sehen sich als Opfer: Die Umstände zwingen ihnen eine Wahl auf. Entweder werden sie korrupt. Oder sie machen rücksichtslos Krieg. Wer aber mit Ungeheuern kämpft, wird früher oder später selber eins. Neto (Caio Junqueira) und Matias (André Ramiro) entscheiden sich für letzteres. Sie leiden unter der Korruption ihrer Einheiten und bewerben sich deshalb bei BOPE, einer gefürchteten Eliteeinheit der Militärpolizei von Rio, die mit brutalen Mitteln gegen die Drogenbanden in den Favelas vorgeht. BOPE-Chef Capitão Nascimento (Wagner Moura) leidet unter Panikattacken und will aus dem Dienst ausscheiden. Zuvor muss er allerdings noch ein Viertel für den anstehenden Papstbesuch säubern und aus den beiden Rekruten einen geeigneten Nachfolger finden.
Mit einem unruhig feuernden Bilderstrom versucht Padilha, eine ästhetische Entsprechung zu finden für den Druck, unter dem diese Polizisten stehen. Die Gefahr dabei ist, dass die Abbildung von Gewalt glorifizierend wirkt und die Paranoia des Polizisten wie ein kohärenter Blick auf die Welt. Für ihn ist die Selbstermächtigung der BOPE die beste unter den schlechten Lösungen des Problems. „Tropa De Elite“ geht dieser Gefahr nicht aus dem Weg, im Gegenteil: Geradezu lustvoll wütet er im weltanschaulichen Porzellan der bürgerlichen Linken. Da ist wenig Raffinesse. Aber viel Wut.
Eine Stunde lang bewegt sich „Tropa“ in dieser Gefahrenzone zwischen Exploitation-Kino und politischer Klage – fesselt, stößt ab, reizt. Dann entgleitet der Film seinem Regisseur. Eigentlich ist das Ende gut angelegt: Der Nachwuchskandidat wird durch seinen ersten Mord zum Vollmitglied des Kaders. Mit dem Schuss schließt sich der Kreis und deshalb ist dieser Schuss auch das letzte, was man hört.
Doch so ein erster Mord will motiviert sein – und hier macht Padilha einen entscheidenden Fehler. Das Motiv nämlich ist Rache und diese Rache wird durchgeführt, wie es das Genre verlangt: Die Sympathien müssen dem Rächer gehören. Also kommt es zu einer Szene, in der das Opfer, ein Dealer aus den Favelas, zwei weiße NGO-Mitarbeiter auf bestialische Weise ermordet. In einem Film voller Monster ist der Dealer damit als das größte aller Monster installiert, mit der Folge, dass sich dessen Ermordung durch BOPE ein wenig zu gut anfühlt, zu gerecht, fast kathartisch. Damit aber hat dieser Film seine Vieldeutigkeit verraten.
Central (OmenglU), Cinemaxx (OmU), Filmtheater Friedrichshain, Kulturbrauerei, Neue Kant Kinos, Rollberg
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