Romeros neuer Zombie-Film: "Survival of the Dead": Zwischen den Fronten
Untoter denn je: George A. Romero ist zurück – mit einer Monografie, einem Remake und natürlich seinem eigenen neuen Zombie-Film. Doch der ist leider uninspiriert, ermüdend und ohne Biss.
Die Bilder sind aus unserer Populärmythologie nicht mehr wegzudenken: Eine Horde halb verwester Leichname torkelt durch eine verwüstete Kleinstadt. Verdammt zum ewig kannibalistischen Konsum trotten die untoten Triebwesen auf ein Opfer zu. Sie umzingeln es und beißen ihm gierig das Fleisch aus dem lebendigen Leib. Plötzlich fallen von irgendwoher Schüsse. Die Gehirnmasse der Zombies stiebt durch die Luft. Ihr Blut hinterlässt Jackson-Pollock-artige Spuren an den Wänden. Für kurze Zeit herrscht Ruhe. Bis die nächste Horde heranrückt. Die Untoten sind nicht totzukriegen.
Der Mann, der diese Bilder in die Welt gesetzt hat, heißt George A. Romero. Gemeinsam mit Tobe Hooper, Wes Craven, John Carpenter und David Cronenberg gilt er als Begründer des modernen Horrorfilms. Seine beiden ersten Zombie-Filme „Night of the Living Dead“ (1968) und „Dawn of the Dead“ (1978) sind Klassiker des Genres. Am 4. Februar hat der Mann aus der Bronx seinen 70. Geburtstag gefeiert. In einem Genre, das es vor allem auf Teenager abgesehen hat, ist das ein biblisches Alter. Doch urteilt man nach seiner derzeitigen Medienpräsenz, ist Romero weit davon entfernt, als lebender Toter des Horrorfilms zu verkümmern.
Seit Donnerstag läuft sein neuer Film „Survival of the Dead“ in den Kinos. Es ist die mittlerweile sechste Folge der Zombie-Saga. Darin bekriegen sich zwei irischstämmige Sturköpfe in einer blutigen Familienfehde auf einer Insel vor der Küste von Delaware. Zwischen die Fronten geraten ein Soldatentrupp – und Romeros lebende Tote. Doch leider ist der Film uninspiriert, ermüdend, ohne Biss. Und man fragt sich: Was war noch mal der Grund für die Romero-Begeisterung?
Romero hat nie als eleganter Angstlust-Regisseur geglänzt. Seine Spannungsinszenierung kommt oft ungelenk daher, den stolpernden Zombies nicht unähnlich. Sein Ruf beruht auf der Verbindung von knallharter Gewaltdarstellung mit zeitdiagnostischer Gesellschaftskritik. Nehmen wir seinen Film „The Crazies“ (1973), von dem Ende Mai ein Remake in die Kinos kommt. Weil ein Militärexperiment mit biologischen Waffen schiefgeht, verbreitet sich ein tödlicher Virus in einer amerikanischen Kleinstadt. Wie eine alttestamentarische Heuschreckenplage kommt daraufhin das Militär über die Stadt. Rücksichtslos treiben die Soldaten die Bewohner in Quarantänelagern zusammen. Die verstörten Bürger begehren auf und schlagen mit blutiger Waffengewalt zurück.
Seeßlen untersucht Zombies auf ihr Potenzial als Metapher
Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs lässt sich der Film als wüste Anklage gegen Willkür und Brutalität des amerikanischen Militärs und seiner zynischen Regierung lesen. Doch gleichzeitig spielt der linke Gesellschaftskritiker Romero den rechten Hinterlandsmilizionären und Selbstverteidigungsideologen in die Hände. Ein Werbefilm der National Rifle Association könnte ganz ähnlich aussehen. Der 30 Jahre jüngere Regisseur Breck Eisner entschärft nun in seiner Neuauflage die Brisanz des Vorgängers. Stattdessen setzt er auf solide Schockeffekte und passable Spannungsunterhaltung. Dafür zahlt er zwar den Preis der politischen Beliebigkeit. Aber er entgeht der Gefahr der ideologischen Ambivalenz.
Das Werk George A. Romeros steht exemplarisch für ein altes Problem des kritischen Horrorfilms – und derjenigen Autoren, die dieses Unterhaltungsgenre auf Teufel komm raus zum Medium der Reflexion erheben wollen. Es gibt kaum einen Regisseur, der seine gesellschafts- oder medienkritischen Botschaften mit dem Spektakel der Gewalt und dem lustvollen Schüren von Angst unter einen Hut bekommt. Wer Gewalt sensationslüstern inszeniert, kann sie nicht gleichzeitig verdammen. Wer die Medien für ihren Voyeurismus schilt, darf nicht selbst zum Spektakel ausholen. Wer beides will, braucht sich über den Vorwurf der Bigotterie nicht zu wundern.
Auch Georg Seeßlens Monografie „George A. Romero und seine Filme“ (Edition Phantasia, 23 €) findet keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Seeßlen, einer der produktivsten und profiliertesten Filmpublizisten Deutschlands, schreibt sich in den Rausch des Hagiografen, der Romero im Heiligenstand des filmischen auteur wähnt. Mit beeindruckender Kenntnis spürt er den Verästelungen des Subgenres Zombiefilm bis in die Niederungen des italienischen Pornofilms der siebziger Jahre nach. Listig untersucht er die Zombies auf ihr metaphorisches Potenzial. Romeros Untote werden dann wahlweise zu modernen Konsumfetischisten, zur Personifizierung des Freud’schen Todestriebs oder zu klassenkämpferischen Subproletariern. Doch letztlich löst auch er in seinem (leider miserabel lektorierten) Buch die Widersprüche nicht auf. Im Gegenteil: Immer wieder räumt Seeßlen ein, dass auch Romeros Gesellschaftskritik plakativ und holzschnittartig sei.
Was bleibt vom Ruhm? Zumindest, dass Romero mit der Zombiewelt eine vieldeutige Populärmythologie geschaffen hat, die auch anderen Regisseuren als Fundus dient. Manchen von ihnen gelingt es, einfach nur spannend zu unterhalten. Und das ist oft mehr als genug.
„Survival of the Dead“ läuft in vier Berliner Kinos. „The Crazies“ startet am 27. Mai.
Julian Hanich
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