Jüdischer Film: Schwarze Leinwand
Wie Barbara Kisseler, Alice Ströver und Nicola Galliner das Jüdische Film-Festival Berlin retten wollen.
Nicola Galliner, die starke, kämpferische Gründerin des Jüdischen Film-Festivals Berlin (JFFB) sagt: nichts. Das heißt, sie sprudelt verzweifelt, enttäuscht, 38 wütende Telefonminuten lang; möchte aber mit keiner Silbe mehr zitiert werden. Die Nerven liegen blank. Ihre Fürsprecher von gestern sind derzeit nicht zu sprechen. Galliner hatte das JFFB zur Marke entwickelt, als Festivalmacherin oft den richtigen Riecher bewiesen. Als Managerin rennt sie gerade gegen Wände.
Von weltweit rund 100 jüdischen Filmfestivals ist das JFFB die einzige Einrichtung dieser Art in Deutschland. Sie bedient, anders als ähnliche Festivals in den USA und Kanada, aber nur zu 20 Prozent jüdisches Publikum. Gleichwohl hatte sich das JFFB im Schoß der Jüdischen Gemeinde, angebunden an die Jüdischen Kulturtagen (JKT), zehn Jahre lang gemausert – bis der destruktive gemeindeinterne Konfliktdruck Galliner zum Exodus in eine riskante Unabhängigkeit zwingt.
Drei Jahre ging das gut: Das JFFB wurde größer, erfolgreicher, teurer, seit 2006 teilfinanziert durch den Hauptstadtkulturfonds (HKF), private Sponsoren, ab 2007 auch wieder durch die Jüdische Gemeinde, dann mal die Bundeszentrale für politische Bildung, die Lotto-Stiftung, das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ sowie private Sponsoren. Die Ablehnung einer vierten Förderung durch den HKF, der gewöhnlich keine strukturelle Dauerstütze spendiert, ist im Frühjahr 2009 das Alarmsignal. Später kam auch das Nein von der Kulturstiftung des Bundes. Im Dezember bewilligte die Lotto-Stiftung anstelle der beantragten 229 000 Euro nur 55 000 Euro. Daran gekoppelte Sparauflagen wies die JFFB-Leitung als beleidigend zurück.
Vormalige Ermutigungen wie die Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters und verwehte Lobesworte des Kulturstaatssekretärs André Schmitz gerannen nicht zum geldwerten Vorteil. Wenn kein Wunder geschieht, könnte das JFFB am 26. April nach Harald-Schmidt-Manier mit schwarzer Leinwand eröffnen, ohne Promi-Umtrunk.
Alice Ströver (Bündnis 90 / Die Grünen) sieht das JFFB als „Opfer der Förderungsstrukturen“. Wo ein Festival sich jahrelang bewähre und der HKF als Dauerträger ausscheide „muss es in den Landeshaushalt“. Sie selbst sei mit vier Vorschlägen, darunter eben der, dem JFFB dort einen „Titel“ zu verschaffen, im November an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses herangetreten. Informell hätten SPD-Kollegen zugesichert, ihre Liste zu übernehmen. Rätselhafterweise sei jedoch gerade der JFFB-Vorschlag nicht mitgegangen. Als Erklärung wird kolportiert, die Gegenfinanzierung auf Kosten eines Prestigeprojektes der Linken, des Kinos Babylon Mitte in der Rosa-Luxemburg-Straße, habe böses Blut gemacht, so dass der JFFB-Antrag auf dem Koalitionsaltar geopfert wurde. Aus der SPD wiederum verlautet, nicht an der Sache sei die Förderung gescheitert, sondern weil die Oppositionskollegin einen festen Titel wollte.
Barbara Kisseler, Chefin der für Filmförderung zuständigen Senatskanzlei und Aufsichtsratsvorsitzende des Medienboards Berlin-Brandenburg, weist einerseits den Vorwurf zurück, zu spät zu kommen. Es sei nicht ihre Aufgabe, Gelder für Antragsteller zu organisieren. Andere Festivals kalkulierten übrigens mit höherem Eigenanteil. Andererseits sei sie über die Steigerung eines Beitrags von Studio Hamburg hinaus sicher, weitere Mittel zu mobilisieren – vielleicht im Senat. Gerade habe der Kulturstaatsminister die Finanzierung der bundesweiten JFFB-Tournee bekräftigt. Wichtig seien die Folgejahre.
Haushaltstechnisch ließe sich eine Förderung über die Jüdische Gemeinde leichter verankern; die Senatskulturverwaltung wiederum könne das JFFB nur im Rahmen der JKT fördern. 2007 hatte die Gemeindevorsitzende das JFFB gebeten, in die Umarmung ihrer Institution zurückzukehren – ein Vorschlag, den die leidgeprüfte Festivalleiterin bis heute scheut wie der Teufel den Thoraschrein.
Petra Müller, Abteilung „Standortentwicklung“ beim Medienboard, weiß noch nicht, ob sie dem JFFB bald helfen darf. Vor Monaten soll Nicola Galliners Hilfsanfrage, die auf einem unzuständigen Schreibtisch gelandet war, verschleppt und abgeschmettert worden sein. Wollte da jemand, aufgrund bisheriger HKF-Unterstützung, eine Doppelförderung ausschließen?
Vielleicht hat die Behörde nach Vorschrift reagiert, ihre Verpflichtung auf den Kernbereich „Filme aus der Region“ artikuliert. Nun aber herrscht Medienalarm, und die Aufsichtsratsvorsitzende Kisseler selbst konzidiert, dass eine Förderung des JFFB, als Ultima Ratio, nicht mehr völlig auszuschließen sei.
Bei so viel Subventionsgewusel läge es nahe, dass sich alle potenziell relevanten Instanzen und Betroffenen für eine Zukunftslösung, zum Vorteil der Sache, am Runden Tisch abstimmen. Der Vorschlag erregt wenig Begeisterung. Ohne Notarzt lasse sich so was wohl kaum realisieren, lautet der konstruktivste Kommentar. Dr. House, übernehmen Sie! Das JFFB hat diesen Einsatz verdient.
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