"Haben Sie das von den Morgans gehört?": Schatz, wo ist dein Karohemd?
Im Kino: "Haben Sie das von den Morgans gehört?" mit Hugh Grant und Sarah Jessica Parker.
Falls irgendjemand der heilen Welt von „Aktueller Kamera“ und ADN-Verlautbarungen nachtrauern sollte, dürfte er bei den Film-Presseheften amerikanischer Major Companies bestens aufgehoben sein. Die Broschüren, die Journalisten Material zu neu anlaufenden Filmen bereitstellen sollen, beinhalten neben Infos zu Filmhandlung, Cast und Crew meist auch ein Kapitel, das den Produktionshintergrund der Filme beleuchten soll. Und in denen herrscht eine allumfassende Glückseligkeit, die ehemaliger Parteiberichterstattung wenig an Schönfärberei nachsteht: Da wollte jeder Regisseur genau die Schauspieler besetzen, die auch wirklich für die Produktion gewonnen werden konnten. Die Schauspieler träumten immer schon davon, ausgerechnet in dieser Konstellation miteinander zu arbeiten. Und alle haben sich während der Dreharbeiten prächtig verstanden.
Auch bei der neuen Sony-Produktion „Haben Sie das von den Morgans gehört?“ muss es so traumhaft zugegangen sein. Selbst das neumexikanische 300-Seelen-Kaff Roy, das als Original-Kulisse für das nordwestamerikanische Filmdorf Ray herhalten musste, wird großmütig in den Freundschaftspakt eingeschlossen und hat selbstverständlich seit dem Dreh enorm vom Besuch der Filmcrew profitiert. Alles super!
Wer weiß, vielleicht ist das ja nichts als die Wahrheit. Dem Film kann es sowieso egal sein. Und Produktionsdesigner Kevin Thompson hat Ray in Roy mit urwüchsiger Robustheit um Annette’s Imbiss-Cafe glaubwürdig hinbekommen. Auch das Rodeo mit vielen Statisten aus dem Dorf und Stampfkapelle ist gut gelungen. Sam Elliott als Marshall dreht den Cowboyhut (laut Presseheft seinen ureigenen) fast so schön wie John Wayne, und Mary Steenburger gibt mit sichtlicher Laune auf Sarah-Palin-Art die waffenversessene Ehegattin dazu.
Hauptfiguren sind andere: Sarah Jessica Parker ist mal wieder die eingefleischte New Yorkerin, für die die Welt hinter Yonkers aufhört, eine überkomplexe Quasseltante, die nicht mal die schlichte Frage, ob sie Rechts- oder Linkshänderin ist, mit zwei Sätzen beantworten kann. Und Hugh Grant ist auch diesmal zuerst Hugh Grant – und dann als Meryls Ehegespons zwar etwas larmoyanter aufgelegt doch nicht weniger eloquent als die Gattin, gleich anfangs brabbelt er ihren Anrufbeantworter mit gefühligem Entschuldigungsgeschmalze zu.
Denn die Morgans leben in Trennung, seit drei Monaten schon an Tisch und Bett geschieden: Dankbares Futter für einen Komödienplot, der die beiden erst zu Augenzeugen eines Mordes macht und dann mithilfe eines polizeilichen Zeugenschutzprogramms in ein Versteck ins hinterste Wyoming bugsiert. Tiefste Hinterwäldlerprovinz! Schon auf dem Flugplatz in Cody hängt prominent eine hirschene Jagdtrophäe, in der Bargain Barn nebenan gibt es Karohemden und GrizzLee Anti-Bären-Spray von der Palette. Unter den 300 Einwohnern im Ort sind 13 Demokraten, die Gastgeber der beiden Manhattaniten sind nicht dabei.
Mit Lust führen die beiden (Elliot und Steenburger) ihren klandestinen Gästen vorbildliches Eheleben vor. Sternenhimmel, Grizzlyattacken und Kindchenschema tun zur ehelichen Genesung das Ihre. Abgesehen von solch aufdringlichen Familienglück-Passagen krankt die genreüblich vorhersehbare romantische Komödie vor allem an der Tatsache, dass das Ehekrisenpotenzial bei den Morgans – ein nicht wirklich ernst genommener Seitensprung auf jeder Seite – einfach zu läppisch erscheint für das gewichtige Manöver. Punkten tut sie dafür mit überdurchschnittlichem Wortwitz vor allem von Grants Seite.
In zwanzig Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony-Center
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