Filmfestival: Mittendrin in Afrika
Wer dreht hier für wen? Eindrücke vom Filmfestival in Burkina Faso. Europäer finanzieren Afrikas Filme, aber nicht für den dortigen Markt.
Es hat etwas Masochistisches, sich bei Temperaturen von bis zu 40 Grad Filme anzusehen. Dennoch reisen alle zwei Jahre Tausende von Journalisten, Cineasten und Filmschaffenden zum Fespaco nach Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Staats Burkina Faso. Das Festival des panafrikanischen Films feierte nun seinen 40. Geburtstag: Am Samstag ging es mit der Verleihung des Yennenga-Hengstes, des wichtigsten afrikanischen Filmpreises, zu Ende.
Nun darf man von einem Festival in Afrika nicht das Maß an Organisation erwarten, das man etwa von der Berlinale gewöhnt ist. Verlässlich ist hier einzig die Unverlässlichkeit; beim Blick auf die Timetables – die in umfangreichen Zettelsammlungen kursieren – lässt man sich folglich von den bekannteren Namen leiten, oder vom Zufall. So gerät man etwa in den nach 20 Jahren ersten wieder in Mosambik produzierten Film „O Jardim do Outro Homem“, einen typischen afrikanischen Film: digital gedreht, stilistisch schlicht, klare didaktische Intentionen.
Eine Schülerin erwehrt sich der sexuellen Annäherungen ihres Lehrers. Das Fehlen einer Vaterfigur ist ebenso Thema wie die Notwendigkeit, Kondome zu benutzen. Etlicher Filme behandeln, auf unterschiedliche Weise, die Aids-Problematik Schwarzafrikas. In „Zimbabwe“ durchlebt ein Mädchen stellvertretend für das Schicksal vieler Landsleute all das, was einem Flüchtling im wohlhabenderen Südafrika zustoßen kann.
Polygamie. Arrangierte Ehen. Die Spannung zwischen Tradition und Moderne. Die Rückkehr von Brüdern und Söhnen aus der Diaspora. Auch die 18 Filme des Wettbewerbs kreisten um diese zentralen Themen des Festivals. Deutliche Unterschiede lassen sich zwischen nordafrikanischen und schwarzafrikanischen Filmen ausmachen: Produktionen aus Marokko oder Tunesien sind meist klarer strukturiert, viele orientieren sich an konventionellen Plotmustern – was in der längeren Filmtradition Nordafrikas begründet sein mag. In „Whatever Lola Wants“ von Nabil Ayouch aus Marokko lernt eine junge amerikanische Tänzerin in Ägypten Bauchtanzen. Mit seinem schlichten Glauben an die Erfüllung aller Träume unterscheidet sich der Film kaum von Hollywoodproduktionen.
Ganz anders Boubakar Diallos „Cœur de Lion“ (Löwenherz). Das ländliche Burkina Faso des 19. Jahrhunderts: Zwei Jäger kämpfen um die Zuneigung einer Frau, das Erlegen eines Löwen wird zum Liebesbeweis, später muss man sich gegen Sklavenhändler zur Wehr setzen. Schöne Bilder, einfache Einstellungen, lange Schuss-Gegenschuss-Wechsel. „Cœur de Lion“ ist auf Französisch gedreht, weniger wegen des historischen Themas als wegen der französischen Geldgeber – eine der vielen Ambivalenzen des afrikanischen Kinos. In kaum einem Vorspann fehlt der Hinweis auf französische Kulturförderung, auf Beteiligung der Fernsehsender TV5 oder Arte. Auch das Festival selbst würde ohne seine französischen Hauptsponsoren nicht existieren. Über den Einfluss der Geldgeber auf Form und Inhalt afrikanischer Filme wird seit geraumer Zeit diskutiert, ohne dass sich eine Lösung aus dem Dilemma abzeichnet. Filme, die im Westen auf zunehmendes Interesse stoßen, sind in Afrika praktisch nicht zu sehen, zumal das Fehlen von Abspielstätten und die grassierende Raubkopiererei das Kinogeschäft erschweren.
So erscheint das Fespaco weniger als Schaustelle des für Afrikaner produzierten afrikanischen Films denn als merkwürdige Parallelwelt. Auch wenn sich das Festival mit dem Comedian Sotigui Koyaté zur Eröffnung (auf der Berlinale hat er für seine Rolle in „London River“ den Darstellerpreis gewonnen), mit Trommelmusik vor den Filmen und herzlichen Begrüßungen des Publikums den Anschein von Popularität gibt: Einheimische sucht man in den Vorführungen vergebens. Weil die Festivalleitung die Gratis-Openair-Aufführungen abgeschafft hat, zeigte mancher Regisseur seinen Film in Schulen, abseits der Festivalkinos. So beschränkte sich der Kontakt der Fachbesucher mit den Bewohnern von Ouagadougou meist auf Preisverhandlungen mit Taxifahrern. Die allabendliche Stürmung der Büffets: ein zwiespältiger Anblick in einem der ärmsten Länder der Welt.
Am Ende eines langen Festivals blickt man ernüchtert zurück. Einige fürs einheimische Publikum entstandene TV-Filme und -Serien überzeugten mehr als die Kinoproduktionen. Von westlichen Medienanstalten koproduziert, werden sie in Hinblick auf den internationalen Festivalzirkus und die Auswertung in europäischen Kultursendern inszeniert.
Das ist beim Gewinner des Hauptpreises nicht anders: „Teza“, das etwas überambitionierte 140-Minuten-Geschichtsepos des Äthiopiers Haile Gerima, entstand unter Beteiligung der Kölner Produktionsfirma Pandora. Die Folge: ausschweifende Rückblenden nach Köln und Berlin. Es geht um den in Deutschland ausgebildeten Arzt Anberber, um Äthiopien zwischen Imperialismus, Marxismus und Diktatur und Anberbers Kampf gegen die Barbarei von Mengistu Haile Mariam. Gerima gewann bereits auf dem Filmfest Venedig den Spezialpreis der Jury. Auch einen deutschen Verleih hat „Teza“ schon.
Michael Meyns
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