François Ozon: "Komödien drehen? Nicht lustig"
Regisseur François Ozon spricht im Interview über Politik, Feminismus, Theater – und, natürlich, Catherine Deneuve.
Diese Suzanne Pujol, die in die Politik geht: Ein bisschen denkt man da an Marine Le Pen, die gerade in Frankreich groß rauskommt. Die ist viel geschickter als ihr Vater, der rechtsextreme Jean Marie Le Pen.
Ich kenne Marine Le Pen nicht, ich habe auch keinerlei Lust, sie kennenzulernen. Sie will zwar weg von den antisemitischen Provokationen ihres Vaters, aber worauf sie hinauswill, das weiß man noch nicht so genau. Außer dass sie regieren will. Ganz anders als ihr Vater, der schwer durcheinander war, als er es mal in die Stichwahl der Präsidentschaftswahlen schaffte. Der wollte nerven und alle Leute beleidigen – aber Präsident werden? Das nicht.
In Deutschland haben wir mit Angela Merkel seit bald sechs Jahren eine Kanzlerin. Stellen Frauen sich im Umgang mit der Macht intelligenter an als Männer?
Komisch, alle Leute wollen mit mir über Politik reden! „Das Schmuckstück“ ist eine Komödie, und in dem Theaterstück von Pierre Barillet und Jean Pierre Gredy, auf dem mein Film basiert, war von Politik nicht mal die Rede. Das Element habe ich hinzugefügt, um den Film moderner zu machen und dem Charakter der Hauptfigur mehr Tiefe zu geben. Suzanne Pujol findet ja Geschmack an der Macht, ohne zu ahnen, dass sie den Job vielleicht besser macht als ihr Mann. Beim Drehbuchschreiben habe ich sogar einmal gedacht: Müsste sie nicht sogar Kommunistin werden wie ihr Geliebter, der Bürgermeister Babin? Aber nein, sie ist und bleibt konservativ. Sie kommt aus der Unternehmertradition der „patrons“, die gibt es so in Frankreich heute gar nicht mehr.
Haben Sie Catherine Deneuve bremsen müssen, weil die Rolle im Verlauf der Handlung immer näher an den Star heranrückt, der sie auch im Leben ist?
Catherine hat die Rolle sehr genossen. Im Leben ist sie alles andere als ein bloßes Schmückstück, sondern eine starke, moderne Frau. Sie hat nichteheliche Kinder, sie hat sich gegen das Abtreibungsverbot und gegen die Todesstrafe engagiert. Sie hat die Rolle wie eine schöne Provokation verstanden. Wie „Rocky“, sagte sie mir, wie so eine amerikanische „success story“, raus aus der Demütigung und hin zur Rache und zum Sieg. Ich fand es reizvoll, den Film in vollendeter Künstlichkeit à la Disney beginnen zu lassen, und dann endet er fast wie eine Dokumentation, eine Fernsehreportage. Und am Schluss, in der Menge, sahen die Statisten in ihr tatsächlich nur Catherine Deneuve, nicht Suzanne Pujol.
Die Aufstiegsgeschichte der Suzanne Pujol könnte man auch wie ein Märchen lesen, wie „Aschenputtel“.
Nein, „Das Schmuckstück“ ist ein feministischer Film. Es geht um Emanzipation, darum, wie eine Frau ihren Platz findet – und Gefallen daran, den auch zu verteidigen. Vielleicht sollte ich „Das Schmuckstück 2“ drehen und gucken, was wird aus dieser Politikerin? Na, darüber mag der Zuschauer selber spekulieren. In den meisten Filmen erzähle ich ja ohnehin immer dieselbe Geschichte: Wie jemand sich aus einer gegebenen Situation heraus verändert und entwickelt, und wie sich dadurch auch unser Zuschauerblick auf die Figur verändert.
„Das Schmuckstück 2“? Bei Ihrem Genre-Eklektizismus müssen wir uns da gewiss keine Sorgen machen. Andererseits: Nach ein paar Filmen kehren Sie immer zur Komödie zurück. Machen Sie sich damit locker für die nächsten schweren Brocken?
Eine Komödie zu drehen, das ist nicht lustig, das ist viel Arbeit. Bei einem Drama lassen es die Leute gelten, wenn es auch mal langatmig zugeht, es ist ja schließlich ernsthaft. Eine Komödie aber muss Tempo haben und Witz, die Schauspieler müssen klasse sein, die ganze Sache muss rund laufen. Sonst wird es eine schlechte Komödie, und nichts ist schrecklicher als das. „Das Schmuckstück“ wollte ich wie eine Komödie im Billy-Wilder-Stil: sehr lustig, aber auch intelligent, mit einem substanziellen Hintergrund und vor allem vieldeutig.
Nach „Tropfen auf heiße Steine“ und „Acht Frauen“ ist „Das Schmuckstück“ Ihre dritte Theaterverfilmung. Wie umgehen Sie die Falle des Theatralischen?
Ganz einfach: Indem ich ihr gar nicht ausweiche. Ich liebe das Theatralische, das Szenische, die Künstlichkeit, den falschen Dekor. Bei meinen früheren Theaterverfilmungen ging es zudem ums Eingeschlossensein, und die räumliche Begrenztheit gehört ohnehin zum Theater. Auch die Stückvorlage zum „Schmuckstück“ spielt komplett in dem großbürgerlichen Fabrikantenhaus, so ist das nun mal im Boulevardtheater. Ich aber wollte Suzanne mit der realen Welt konfrontieren, und so bekommt der Film, als sie das Ambiente der frühen Szenen verlässt und raus geht in die Welt, etwas von realistischem Kino.
Noch einmal zum Feminismus. Wenn man an „Unter dem Sand“, „Swimming Pool“ oder zuletzt „Rückkehr ans Meer“ denkt, mit all den starken Frauenrollen: Sehen Sie sich als feministischer Regisseur?
Das ist unglaublich! Ja, die weiblichen Filmfiguren interessieren mich am meisten, na und? Wissen Sie, was mich wundert? Nie sagt mal jemand zu einem Regisseur „Oh, noch ein Film über einen Mann!“ Dabei sind die Frauen doch die Hälfte der Menschheit! Nein, ich mag einfach Figuren, die eher gesellschaftliche Opferrollen haben und die kämpfen müssen, um da herauszukommen. Männer haben ja meist alles, zumindest am Anfang. Männer im Kino: Das ist doch meist physisch, Action.
Nun, zuletzt war das Weltkino voll von Filmen, die Männer in der Krise zeigen.
Kein Wunder, dass die Männer in der Krise sind, wenn die Frauen die Macht übernehmen! Tausende von Jahren haben die Männer regiert, jetzt gleicht sich da was aus. Das ist ganz normal.
Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.
FRANCOIS OZON (43) ist der derzeit produktivste französische Filmregisseur. Wichtige Werke ab 1998: „Sitcom“, „Unter dem Sand“, „8 Frauen“,„Swimming Pool“, „Ricky“.
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