''Operation Walküre'': Kino-Attentat auf Stauffenberg: Widerstand zwecklos
Die Uniform sitzt korrekt, die Wahrheit leidet: Aus historischer Sicht liefert der Action-Film „Operation Walküre“ ein flaches und falsches Bild. Wer erst durch diesen Film erfährt, dass es ein "anderes Deutschland" gab, der wird auch Stauffenberg bald vergessen.
„Der Stauffenberg, allerdings, das war ein Kerl! Um den ist es beinahe schade. Welche Kaltblütigkeit, welche Intelligenz, welch eiserner Wille! Unbegreiflich, dass er sich mit dieser Garde von Trotteln umgab.“ An diese Bemerkung des „Reichspropagandaministers“ Joseph Goebbels fühlten wir uns erinnert, als wir „Operation Walküre“ sahen.
Es war gewiss zu hoch gegriffen, als behauptet wurde, „Deutschlands Hoffnung heißt Tom Cruise“, als man verkündete, der Film werde „das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen“. Inzwischen stellt Regisseur Bryan Singer klar, er habe „keine Filmbiografie über Stauffenberg, sondern einen Verschwörungs Thriller mit real existierenden Figuren und Geschehnissen“ machen wollen, „keine historische Abhandlung über Stauffenberg“, sondern Unterhaltung. Wenn Hauptdarsteller Tom Cruise betont, für ihn gebe es „nichts Tolleres, als sich so ein Thema zu nehmen und es dem Publikum als aufregendes, kommerzielles Spektakel zu präsentieren“, dann ist er viel ehrlicher als mancher Feuilletonist, der uns einreden will, ein filmisches Kunstwerk sei entstanden. Argumentiert wurde, nun werde die Welt das „andere Deutschland“ wahrnehmen, dass Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete. Als habe es keinen Elser-Film, keine Filme über die Weiße Rose, über Oskar Schindler oder gar über Stauffenberg selbst gegeben.
Es ist nur in Maßen tröstlich, dass dieser Film lediglich ein Thriller sein soll. Denn es sind ganz andere Erwartungen und Qualitätsmaßstäbe artikuliert worden. Der wissenschaftliche Berater des Films behauptet, dieser sei richtig (true) und genau (accurate). Wie kommt er angesichts der historischen Fehler im Film zu diesem Urteil? Es wird suggeriert, „Operation Walküre“ vermittle ein authentisches und genaues Bild Stauffenbergs und seiner Tat. Ist Olbricht wirklich der verantwortungslos verkrampfte, gelähmte Militärbürokrat, hat Stauffenberg wirklich sein Glasauge in ein Trinkglas geschmissen, fanden entscheidende Gespräche über die Kappung der Nachrichtenverbindungen zum „Führerhauptquartier“ in einer Herrentoilette statt?
Die Konstruktion des Thrillers führt allerdings im Bemühen um ein historisch zutreffendes Bild von Stauffenberg zu einem weitaus schwerwiegenderen Dilemma. Sie bedingt, dass alles auf die Hauptperson zugeschnitten ist. Der Held treibt die Entwicklung voran und steht im Zentrum aller Ereignisse. Über die Entwicklung Stauffenbergs vom Befürworter der nationalsozialistischen Politik zum Kritiker und schließlich zum unbedingten Gegner Hitlers erfahren wir nichts. Eine offensichtlich später hinzugefügte Anfangsszene bündelt Stauffenbergs Motive in einer fiktiven Tagebuchnotiz – mehr nicht. Kein Wort darüber, wie Stauffenberg nach ihn herausfordernden Erfahrungen, nach der Kenntnis von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, eigene Positionen überwunden und verändert hat und was ihn befähigte, sich von den Zwängen, Traditionen und Sogströmungen seiner Zeit zu entfernen und konsequent gegen die Diktatur zu wenden.
Unter den militärischen Verschwörern ragen im Film Henning von Tresckow und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim hervor. Die anderen müssen immer wieder von Stauffenberg überzeugt und mitgerissen werden. Friedrich Olbricht, der eigentliche Schöpfer des Umsturzplans Walküre, wird als Zauderer dargestellt; General Erich Fellgiebel muss von Stauffenberg fast zur Teilnahme am Umsturzversuch gepresst werden. Ein Antreibender, viele Angetriebene – dies hat nichts mit der Realität des Umsturzversuches vom Sommer 1944 zu tun. Die Offiziere, die sich zum Handeln entschlossen hatten, taten dies aus eigenem Antrieb, weil sie – ebenso wie Stauffenberg – dem verbrecherischen Regime nicht mehr folgen wollten.
Was war das Besondere am deutschen militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus? Die beteiligten Offiziere mussten nicht nur viele Positionen überwinden, die sie zunächst mehr oder minder mit den Nationalsozialisten geteilt hatten, sondern sie akzeptierten auch aus freier Entscheidung, dass die bewaffnete Macht sich dem Primat der Politik unterwarf. Die Attentäter planten keinen Militärputsch, sondern bereiteten den Umsturz des Regimes vor. Dieses Ziel hätten sie ohne die Zusammenarbeit mit zivilen Widerstandskreisen nicht erreichen können. Davon ist im Film wenig zu sehen.
Als Stauffenberg in einem Treffen mit den Köpfen der zivilen Gruppen die Frage nach den Zielen des Umsturzversuches stellt, erhält er im Film keine Antwort. Dabei waren entscheidende Fragen über das Danach längst, seit 1938/1939, diskutiert und weitgehend geklärt worden. Die zaudernden und zagenden Männer, denen Stauffenberg gegenübersteht, schweigen und weichen aus – im Film, nicht in der Wirklichkeit. Es ist unwürdig, Carl Goerdeler zu zeichnen, als sei er damals schon ein Mensch von gestern gewesen. Diese zerstrittenen Greise, ein Herrenclub, der angeblich regelmäßig in großer Runde tagte, so mag sich mancher Betrachter fragen, hätte das andere Deutschland verkörpern und realisieren sollen?
Galt Stauffenberg in den fünfziger Jahren noch vielfach als Verräter, so wurde seine Tat seit den Sechzigern als stellvertretendes Handeln für alle Regimegegner gedeutet, die auf seinen Erfolg setzen mussten und deshalb wie sein Kreis zu den politisch Gescheiterten des 20. Juli gehörten. Die militärische Opposition von den zivilen Gruppen zu trennen, ist ein Rückfall in längst überwundene Geschichtsbilder. So zu tun, als hätten die Verschwörer nicht nur gegen Hitler handeln müssen, sondern auch Widerstände der Zivilisten zu überwinden gehabt, das verstellt den Blick auf das Besondere des Kampfs gegen den Nationalsozialismus und lenkt ab von den wirklichen Versagern: der hohen Generalität, die treu zu Hitlers Fahne stand – bis zum 8. Mai 1945 und sogar noch darüber hinaus.
Tatsächlich setzte Stauffenberg auf Männer wie Leber, Reichwein und Leuschner, denn er wusste: Aus dem Widerstand ohne Volk kann nur mit diesen ein Widerstand aus dem Volk werden. Im Film steht Stauffenberg alles fast allein durch. So setzt sich die Dramaturgie Hollywoods durch. Weil Stauffenberg in Wirklichkeit keinen Militärputsch, sondern einen Umsturz plante, wollte er militärische Möglichkeiten nur nutzen, um einer neuen Regierung politische Spielräume zu schaffen. Der Innen- und Wehrpolitiker Julius Leber, der Außenpolitiker Adam von Trott, der Völkerrechtler Helmuth James Graf von Moltke – sie waren Herz und Kopf des Widerstands, was Stauffenberg anerkannte. Sie hatten ein Konzept für die Zeit nach dem Umsturz: Völkermord und Krieg beenden und den Rechtsstaat wiederherstellen.
Deshalb muss die Kritik am Film grundsätzlicher ansetzen. Er sollte nicht nur daran gemessen werden, ob die Folie zeitgeschichtlicher Aura angemessen entfaltet ist. Historische Realität erschöpft sich nicht in korrekt sitzenden Uniformen und in der Nutzung historischer Schauplätze. Im Gegenteil: Der Film vernachlässigt die Motive, Dimensionen, Vielfalt, Dynamik und auch Widersprüchlichkeit des Widerstands in gradueller Steigerung und zeitlicher Entwicklung – eine dramatische Geschichte wird im Ergebnis fast bis zur Unkenntlichkeit reduziert.
Der Zuschauer bekommt nicht mehr als einen professionell gemachten Hollywood-Film, der die alte Geschichte des Kampfs zwischen Gut und Böse schildert, der „Helden“ und „Schurken“ kennt. Wer erst durch diesen Film erfährt, dass es ein „anderes Deutschland“ gab, der wird auch Stauffenberg bald vergessen. Deshalb wird „Operation Walküre“ weder das Bild Deutschlands im Ausland grundlegend wandeln, noch die Erinnerung an den Widerstand auf Jahrzehnte prägen.
Die Verfasser leiten die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.
Peter Steinbach, Johannes Tuchel
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