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© dpa

Regisseur Jafar Panahi: Iran: Der Filmemacher als Staatsfeind

Jafar Panahi, einer der wichtigsten unabhängigen Filmemacher Irans, ist am Montagabend in seinem Haus in Teheran verhaftet worden. Gemeinsam mit seiner Frau, seiner Tochter und 15 Gästen wurde er an einen bislang unbekannten Ort gebracht.

Zu den Gästen zählten weitere Filmschaffende, Regisseure und Schauspieler. Der Sohn des Regisseurs, Panah Panahi, berichtet auf der Website der Opposition, die in Zivil gekleideten Fahnder hätten auch Computer und persönliche Dinge beschlagnahmt.

Der 49-jährige Regisseur, der 2006 in Berlin für „Offside“ einen Silbernen Bären und 2000 in Venedig für „Der Kreis“ den Goldenen Löwen gewann, ist Anhänger des Oppositionsführers Mussawi, er hatte den umstrittenen Ausgang der Präsidentschaftswahl im Sommer 2009 kritisiert. Erst im Februar war Panahi die Ausreise zur Berlinale verweigert worden, zu der er als Ehrengast und Teilnehmer an einer Diskussion über die Zukunft des iranischen Kinos geladen war. Er wird seit einiger Zeit von den iranischen Behörden überwacht.

Der Staatsanwalt von Teheran, Abbas Jafari Dolatabadi, sagte zu den Gründen für die Verhaftung, der Regisseur sei nicht wegen seiner Arbeit oder aus politischen Gründen festgenommen worden, sondern wegen des Verdachts, „Verbrechen begangen zu haben“. Genaueres sagte er nicht.

Bereits im Sommer war der iranisch-kanadische Dokumentarist und Reporter Maziar Bahari 118 Tage lang im berüchtigten Evin-Gefängnis von Teheran festgehalten worden. Ob mit der Verhaftung eines international renommierten Regisseurs wie Panahi und einer Gruppe von Dissidenten eine der bereits bewährten Einschüchterungsmethoden angewandt wurde – zumal im Vorfeld des persischen Neujahrs im März –, oder ob eine neue Dimension der Repression erreicht ist, entscheidet sich an der Frage, ob Panahi und die anderen bald wieder freigelassen werden. Zwar war der Regisseur am 30. Juli während der Trauerfeier der erschossenen Studentin Neda Agha Soltan schon einmal verhaftet worden, kam aber wenige Stunden später wieder frei. Seit er sich jedoch als Jurymitglied beim Filmfestival von Montréal mit dem Tragen eines grünen Schals hinter die iranische Opposition stellte, darf er nicht mehr ausreisen. Auch ein Besuch des Filmfestivals in Mumbai im Oktober wurde ihm verweigert.

Jafar Panahi, der als Assistent des Regisseurs Abbas Kiarostami anfing, hat Erfahrungen mit der Zensur. 2004 sagte er, der Preis für unabhängiges Filmemachen im Iran bestehe oft darin, dass er seine eigenen Filme nicht in einem iranischen Kino sehen könne.

Als 2006 auf der Berlinale „Offside“ lief – eine mit politischem Subtext versehene Tragikomödie über ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um im Stadion ein Fußballspiel anschauen zu können –, erklärte er: „Wir müssen mit Tricks arbeiten, dann können wir drehen. Für ,Offside’ habe ich einen anderen Film angemeldet, mit einem anderen Drehbuch und einem anderen Regisseur. Als die Behörde das herausfand, war es zu spät, den Film zu stoppen.“ Es ist Jafar Panahis bislang letzter Film, er hat seitdem nicht mehr drehen können.

Sein zur Zeit in Paris lebender Kollege Rafi Pitts, dessen Berlinale-Wettbewerbsfilm „Zeit des Zorns“ am 8. April ins Kino kommt, sagte dem Tagesspiegel: „Es ist lächerlich, Filmemacher, Künstler, Schriftsteller oder Journalisten zu verhaften, die nichts anderes tun, als einen Blick auf ihre Gesellschaft zu werfen und zu kommentieren, was geschieht. Sie tun etwas Konstruktives, nichts Destruktives. Unsere Regierung muss begreifen, dass sie niemanden davon abhalten kann, die Stimme zu erheben. Wie sehr sie es auch versucht, es wird ihr nicht gelingen.“

Seit der Amtsübernahme Ahmadinedschads 2005 beklagen etliche Regisseure die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen. Deshalb wächst die Zahl der Underground-Filmer, die ohne Genehmigung arbeiten und große Risiken eingehen. Auch haben viele Regisseure im Februar das offizielle Filmfestival „Fadj“ in Teheran boykottiert. chp (mit Reuters, dpa)

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