„Die Welle“: Die Weißwäscher
Wer es nicht gelesen hat, kennt wenigstens den Buchtitel: die Schulpflichtlektüre "Die Welle" kommt von Dennis Gansel inszeniert als Fernsehware mit Finale furioso.
Wenn jeder dem anderen hilft, was kann daran schon schlecht sein? Wenn man einsteht füreinander, die Leistung sich verbessert und die Rektorin zufrieden ist? An der Schule ist etwas entstanden während der letzten Woche. Ein ungekanntes Gemeinschaftsgefühl. Nur dass es ein oder zwei Spaßbremsen gibt, die sich aufspielen, ist ärgerlich und führt zu brutalstmöglicher Ausgrenzung: „Du bist doch nur angepisst, weil es nicht mehr nach deiner Nase läuft.“
Karo (Jennifer Ulrich) war bislang das It-Girl der Schule. Jetzt ist sie allein, denn sie will kein weißes Hemd tragen. Weiß steht ihr nämlich nicht. Aber es ist die Farbe der „Welle“, einer Bewegung, die mittlerweile die gesamte Schule erfasst hat und in der modisches Bewusstsein nicht gern gesehen ist. Rainer Wenger (Jürgen Vogel), ehemals Hausbesetzer und jetzt Lehrer mit besonderen Methoden, nutzte die Projektwoche für ein praktisches Experiment. Das Thema: Autokratie. Ach nö, sagen seine Schüler, nicht schon wieder Nazis, kenn’ wir schon, ist doch von gestern. Wenger lässt sie am eigenen Leib erfahren, dass die Lust an Disziplin und die Freude am Gemeinsinn keinesfalls von gestern sind. Der Versuch gelingt – und gerät aus den Fugen: Die Schüler werden mitgerissen vom neuen Geist. Ausgerechnet in der Schule finden sie jetzt Halt.
Seit vielen Jahren ist Morton Rhues Roman „Die Welle“ Pflichtlektüre an den Schulen. Was darin berichtet wird, hat sich tatsächlich zugetragen: 1967 führte der Geschichtslehrer Ron Jones an der Cubberley Highschool in Kalifornien ein solches Experiment durch. Als Dennis Gansel die Geschichte jetzt verfilmte, war Ron Jones als Berater beteiligt.
Leicht war es gewiss nicht, diesen Stoff ins Jetzt zu verpflanzen: Dass junge Menschen sich freiwillig zur Konformität bekennen, ist zumindest im Westen heute nur schwer vorstellbar. Aber einsam und ratlos sind immer noch die meisten, und hier setzt Gansel an. Nach „Napola“ beschäftigt er sich erneut mit der Verführung von Jugendlichen durch eine Diktatur. Seine Schüler befinden sich weder in sozialer Randlage, noch sind sie vom modernen Teenageralltag gestresst. Weniger die Not als ein Reiz macht sie empfänglich: Da kommt ein charismatischer Lehrer und gibt ihnen Sinn und Ernst.
In einer Zeit, in der Jugendliche vor allem darunter leiden, dass alles geht, mag dieser Reiz tatsächlich verlocken. Den Film-Figuren aber fehlt so der zwingende Antrieb, sich der Bewegung anzuschließen. Daher wirkt „Die Welle“ oft arg pädagogisierend: Man weiß, was gemeint ist, nur glaubt man es nicht so recht.
Zudem hat Gansel seinen Film ausgesprochen bieder in Szene gesetzt. Gäbe es Leichen, könnte „Die Welle“ glatt als ordentlicher WDR-Tatort durchgehen. Erst am Ende, als er Schulschockbilder aus den Nachrichten zitiert, geht er über gehobenen TV-Standard hinaus: verstörte Schüler, entsetzte Lehrer, Krankenwagen und Polizei vor dem geräumten Schulgebäude.
Dass der Film seine Wirkung vom Ende her entfaltet, gehört aber auch zu seinen Stärken. Wenn das Projekt in sein dramatisches Finale mündet, implodiert die „Bewegung“ nicht einfach in einem clever ausgedachten Aha-Effekt. Die Schüler bleiben vielmehr erschüttert zurück. Wahrscheinlich sind sie schlauer als vorher. Es ist ihnen aber auch etwas genommen worden.
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