3D-Filme: Der Dreamworks-Chef erklärt die Zukunft des Kinos
3D ist im Kommen: Dreamworks-Chef Jeffrey Katzenberg war in Berlin zu Gast und sprach über "die dritte Revolution des Kinos".
Für die einen ist es Kirmes. Für die anderen ein Heilsversprechen. Nach kurzer und obskurer Blüte in den Fünfzigern feiert das dreidimensionale Kino seine fröhliche Wiederauferstehung – als leuchtender Hoffnungsschimmer, wenn es darum geht, die Zuschauer wieder wegzulocken von den Flachbildschirmen daheim.
„In fünf bis sieben Jahren“, behauptet Jeffrey Katzenberg, „werden alle Filme dreidimensional sein“. Der Produzent und Geschäftsführer von Dreamworks Animation („Shrek“) hatte am gestrigen Freitag in die Berliner Kulturbrauerei geladen und kräftig die Werbetrommel gerührt für seine Vorstellung von der Zukunft des Films. „Zuerst kam der Ton-, dann der Farbfilm. Dreidimensionalität ist die dritte Revolution des Kinos.“ Katzenberg ließ Brillen verteilen und zeigte Ausschnitte aus „Monsters vs. Aliens“, der erste Dreamworksfilm, der zwar auch auf herkömmlichen Leinwänden zu sehen sein wird, aber vollständig in 3D hergestellt wurde. Die gezeigten Szenen waren zwar nicht unbedingt eine Offenbarung; dass sich hier aber ein neues, möglicherweise aufregendes Seherlebnis ankündigt, war zu erahnen.
Katzenberg wagt einiges. Seine Firma investierte gemeinsam mit Intel und Hewlett Packard viel Geld in die Entwicklung eines 3-D-Systems; zukünftige Animationen werden vollständig in 3D produziert. Dreamworks sind allerdings keineswegs die Einzigen, die sich jetzt vorwagen. Die belgische Produktion „Fly me to the Moon“ läuft schon im Dezember in Deutschland an, es folgen mindestens drei Dutzend abendfüllende Filme in den nächsten beiden Jahren; nicht nur Animationen, sondern zunehmend auch Spielfilme wie Robert Zemeckis’ „A Christmas Carol“ mit Jim Carrey oder das Science-Fiction-Epos „Avatar“ – James Camerons erster Spielfilm seit „Titanic“.
James Cameron war es auch, der das 3-D-Konzept für den Bereich des Spielfilms wesentlich vorantrieb. Cameron ließ eine Digitalkamera entwickeln, bei der zwei Kameras nebeneinandersitzen – wie die Augen beim Menschen. Die beiden versetzt aufgenommenen Bilder werden später gleichzeitig auf die Leinwand geworfen, eine Brille mit polarisierten Gläsern sorgt dafür, dass jedes Auge nur das für es bestimmte Bild sieht – das Gehirn macht den Rest. Der Brillenhersteller Luxottica, zu dem auch Ray-Ban gehört, entwickelt bereits Modelle, die auch als Sonnenbrille funktionieren. „Jeder wird seine eigene Brille haben“, glaubt Katzenberg. „Es wird ein fashion statement sein.“
Bevor es so weit ist, gilt es allerdings noch ein Problem zu lösen. Mindestens 4000 3-D-fähige Säle, schätzt die Los Angeles Times, bräuchte es allein in den USA, um 3-D-Kino als lebensfähiges Segment zu etablieren. Erst dann können zwei große Filme gleichzeitig im Spiel sein. Zurzeit gibt es 1400 solcher Leinwände, und allmählich werden die 3-D Verfechter nervös. Das nächste Jahr muss den Durchbruch bringen: Wenn die vielen in der Herstellung noch recht teuren Filme scheitern, weil es nicht genug Kinos gibt, könnte die 3D-Revolution wie in einem Flaschenhals stecken bleiben, bevor es überhaupt losgeht.
3-D-Filme können nur in Sälen gezeigt werden, die für digitales Kino ausgerüstet sind. Das aber sind noch nicht viele. Für einen Digital-Projektor müssen Kinobetreiber bis zu 100 000 Dollar aufwenden – den wirtschaftlichen Nutzen aber haben vor allem Studios und Verleiher, die zukünftig nicht tausende Kopien verschiffen müssen, sondern ihre Filme einfach per Datenleitung übertragen. Lange Zeit wurde darüber gestritten, wer die Anschaffungskosten zu übernehmen hat. Doch jetzt hat der sogenannte „digital roll-out“ unerwartet Schub bekommen. Die 3-D-Vorführungen nämlich erweisen sich als überraschend erfolgreich: Nur 854 von den 2800 Leinwänden, auf denen „Journey to the Center of the Earth“ diesen Sommer in den USA gezeigt wurde, waren 3-D-fähig, und dennoch wurde am Startwochenende dort mehr als die Hälfte des Umsatzes gemacht. Beflügelt von solchen Erfolgen, einigten sich fünf Hollywood-Studios mit den großen US-Kinoketten Anfang Oktober plötzlich sehr rasch auf gemeinsame Anstrengungen. Eine Milliarde Dollar wird in den nächsten Monaten für die Aufrüstung von 3000 Kinosälen aufgewendet. Das dreidimensionale Kino, zunächst nur ein Randaspekt der Digitalisierung, ist unversehens zu deren Hauptantrieb geworden.
Noch schlägt dem neuen Format viel Skepsis entgegen. Zwischen Jeffrey Katzenberg und Patrick Goldstein, dem einflussreichen Filmkolumnisten der Los Angeles Times, kam es im September zu einem deutlichen Schlagabtausch. Goldstein äußerte die gewiss nicht unberechtigte Sorge, dass aufwendige Hollywood-Produktionen nun noch mehr auf vordergründige Effekte abzielen würden.
Das kann, muss aber nicht so kommen. Anders als in den Fünfzigern, als 3D noch ein obskurer Zusatzeffekt war für Horrorfilme in Autokinos, der zudem noch das Bild verunklarte und bei vielen für Kopfschmerzen sorgte, sind die Bilder jetzt brillant und klar. Unter den Früh adepten sind neben James Cameron Tim Burton („Charlie und die Schokoladenfabrik“), Steven Spielberg („Krieg der Welten“), Peter Jackson („Herr der Ringe“), Robert Zemeckis („Forrest Gump“), John Lasseter („Toy Story“) – allesamt Regisseure, die zwar gerne mal ein Feuerwerk abfackeln, sich aber in erster Linie als Geschichtenerzähler verstehen. Ihnen ist zuzutrauen, dass sie die neuen Mittel nicht als Gimmick verstehen, sondern sie als neue Farbe in ihre Ausdruckspalette aufnehmen. „Eines ist klar“, so Jeffrey Katzenberg. „Ein schlechter Film wird durch 3D nicht zu einem guten Film.“
Die 3-D-Version von Robert Zemeckis’ „Beowulf“ im letzten Jahr war zwar kein perfekter, aber ein interessanter Frühstart. Die üblichen 3-D-Spielereien spielten schon hier höchstens eine Nebenrolle: Jedes Bild hatte eine Tiefenstaffelung, die nicht realistisch war, sondern bewusst gestaltet – ein neues, expressives Ausdrucksmittel für Bildgestalter. James Cameron jedenfalls schreibt für zukünftige Kamerateams schon eine neue Stelle aus: den „Stereographen“.
„3D ist unsere Chance, nicht nur die Einnahmen zu erhöhen, sondern auch mehr Menschen zurück in die Kinos zu holen“, hofft Jeffrey Katzenberg. Diese Hoffnung könnte sich allerdings als trügerisch erweisen. Samsung hat bereits in aller Stille 3-D-fähige Flachbildschirme ausgeliefert, ohne dafür zu werben. Zwei Millionen Haushalte in den USA haben die drei Dimensionen bereits im Wohnzimmer. Sie wissen nur noch nichts davon.
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