Illuminati: Bombenstimmung im Vatikan
Ron Howard entschärft mit der Verfilmung von "Illuminati" Dan Browns Rom-Thriller. Geheimnisvoll geht es schon zu, aber keineswegs unheimlich. Wer die falschen Fährten aus dem Roman kennt, wird sich nur wenig überraschen lassen.
Der Papst ist in Israel, der Vatikan erwägt, seine Museen im Sommer auch nachts zu öffnen, ganz Berlin hat zwecks Volksabstimmung gerade heftig über Religion diskutiert – so viel offene Kirche war lange nicht mehr. Diese Woche kommen nun gleich zwei Papstfilme ins Kino. „Wir sind Papst“, eine Dokumentation über Joseph Ratzingers Geburtsort Marktl am Inn, erinnert an den Hype in der Zeit zwischen Papstwahl 2005 und Benedikt-Besuch 2006. Und auch Ron Howards Verfilmung von Dan Browns Megaseller „Illuminati“ beginnt mit Papstbeerdigung und Papstwahl (setzt also ungefähr auf Seite 160 des 700-Seiten-Wälzers ein).
Wir sind Papst, schön war die Zeit. In dieser von Hans Zimmers sattem Oratoriensound grundierten nostalgischen Stimmung setzt der Film ein, mit der rituellen Zerstörung des Fischer-Rings und der Ankunft der Kardinäle für das Konklave. Dass der tote Papst vor den Augen der trauernden Weltöffentlichkeit im offenen Sarg mit roten Prada-Schuhen aus dem Petersdom getragen wird, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Der Boulevardpresse zufolge liebt Benedikt XVI. solche farbenprächtigen Accessoires.
Aber nicht wegen der Details, sondern ganz allgemein zeigte sich der Vatikan auch über die zweite Brown-Verfilmung von Ron Howard not amused. „Normalerweise lesen wir erst mal das Drehbuch“, ließ der Medienbeauftragte der römischen Diözese, Marco Fibbi verlautbaren, „aber diesmal hat ein Name für das Verbot gereicht: Dan Brown“. Wegen der schlechten Erinnerung an die Opus-Dei-Verschwörungsszenarien von „Sakrileg“ (der seit 2006 weltweit 750 Millionen Dollar eingespielt hat) waren zwar Außendrehs in Rom erlaubt, aber keine Filmarbeiten im Vatikan oder an anderen geweihten Stätten. Petersplatz, Sixtinische Kapelle, Engelsburg, diverse Barockkirchen, Altäre, Fresken, Sarkophage, Statuen – all das wurde in Hollywoodstudios nachgebaut. Was bei Actiondrehs seine Vorteile hat; auch Berninis Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona ist eine minutiöse Replik.
Noch ein Sakrileg also? Die Story vom antikirchlichen Feldzug des aus den Katakomben der Geschichte wiederauferstandenen Illuminaten-Geheimbunds hat in den USA den Vorwurf der Katholischen Liga provoziert, Brown und Howard bannten „den Hass auf alles Katholische“ auf die Leinwand. Der italienische RegieAltmeister Franco Zeffirelli schimpfte Dan Brown einen Tunichtgut.
Gütiger Gott, Boykottaufrufe wegen Blasphemie oder Klerus-Kritik dürften sich diesmal erübrigen. Erstens rettet der 138-minütige Nerven- und Killerkrieg zwischen Religion und Wissenschaft – eine gut versteckte Bombe aus Antimaterie soll um Mitternacht am Petersdom hochgehen, als Rache für Galileo! – die Ehre der römisch-katholischen Kirche auf derart wundersame Weise, dass sich selbst Gläubige die Augen reiben dürften. Und zweitens entschärft der Film das 2000 erschienene Buch noch mehr, als es schon bei „Sakrileg“ der Fall war.
Einer der vier gekidnappten Papstkandidaten darf überleben – was übrigens zu einem anderen Ausgang der Papstwahl führt als im Roman. Armin Mueller-Stahl mimt den gütigsten Konklave-Zeremonienmeister seit Erfindung der Soutane, außerdem haben die Drehbuchautoren Akiva Goldsman und David Koepp den Krimi sorgfältig entskandalisiert, entpsychologisiert und entpolitisiert (der arabische Killer ist im Film ein Däne). Die geheim gehaltene Vaterschaft des Papstes wurde ebenso gestrichen wie eine Beinahe-Vergewaltigung im heiligen Gemäuer, überhaupt wird auf moralisch zweideutige Täter-Opfer-Figuren verzichtet. Auf Sex sowieso. Man nennt es Puritanismus.
In „Sakrileg“ durfte Tom Hanks als Symbologe Robert Langdon mit der schönen Audrey Tautou wenigstens noch flirten. Diesmal bleibt die Beziehung zu seiner Action-Gefährtin Vittoria ( Ayelet Zurer) hundertprozentig keusch. Nicht nur der Vatikan, auch das prüde Amerika mag es so lieber. Die Hubschrauber-Elevation von Robert Langdon samt freiem Fall in den Tiber fehlt übrigens auch. Das Himmelfahrtskommando zwecks erlösendem Antimaterie-Feuerwerk darf der geheimnisumwitterte Camerlengo (Ewan McGregor), der Stellvertreter des Papstes bis zum Ende des Konklaves, auf der Leinwand solo antreten.
Der Geisteswissenschaftler und die Naturwissenschaftlerin, der Professor aus Harvard und die Teilchenbeschleunigerin aus dem Schweizer Kernforschungszentrum Cern: Wenn das Paar im Hochsicherheitsarchiv des Vatikan GalileoHandschriften studiert, wenn es 400 Jahre alte Rätselverse über den Pfad der Erkenntnis als die Fährte des Killers entschlüsselt und auf seiner Bernini-Raffael-Kunstgeschichte-Schnitzeljagd zu tickendem Bomben-Countdown von Kirche zu Kirche hechtet, dann wirkt vor allem Tom Hanks unterfordert. Langdon deutet die Zeichen der Bilderschrift, der Engelsskulpturen, HeiligenFingerzeige und Speer-Verweise, Hanks dagegen darf von seiner Körpersprache keinen Gebrauch machen – was wiederum zu Dan Browns schlichter Schreibe passt.
Seltsam, von Ron Howard ist man Virtuoseres gewöhnt. Wenigstens die Kamera bewegt sich rasanter durch das Alte Europa als bei „Sakrileg“. Die Einheit von Ort und Zeit (ein einziger Abend in Rom) intensiviert die Spannung, trotz tempodrosselnder Lektionen über die Illuminaten, die Kriminalgeschichte des Christentums, den Urknall, die Teilchenbeschleunigung und die Vereinbarkeit von biblischer Schöpfung und Evolution. Dennoch ermüdet die mechanisierte Dramaturgie auf Dauer: Bis Mitternacht wird stündlich ein Kardinal mit einem Illuminati-Zeichen gebrandmarkt und grausam ermordet; bei jedem dieser Hinrichtungsspektakel kommen Tom Hanks und Co. wenige Minuten zu spät.
So bleibt das Dämonische aus dem Originaltitel „Angels & Demons“ den toten Steinen vorbehalten, den Schädel-Krypten, Michelangelos Fresken oder den mit bangem Kamerablick beäugten Skulpturen. Wobei das Rom des Barock und der Hochrenaissance ein weniger obskures Europa darstellt als das Mittelalter der Gralslegende in „Sakrileg“. Amerikas Wahrnehmung der Alten Welt hat sich aufgehellt seit 2006. Geheimnisvoll geht es schon zu, aber unheimlich? Nein.
Der Rest ist Kirchenfolklore: Scheiterhaufen, Kettenrasseln, der Zinnober katholischer Riten beim Konklave und das ansatzweise komische Kompetenzgerangel zwischen Schweizer Garde (mit Stellan Skarsgard als finsterem Chef), vatikanischer Gendarmerie und römischen Carabinieri. Immerhin, so viel Blasphemie unterläuft den Filmemachern dann doch, schwankt das Pendel beim Rätselraten über die wahre Gesinnung des Klerus und vor allem von Ewan McGregors furchterregend sanftem Camerlengo irritierend oft hin und her. Beim Assoziationsspiel mit der messianischen Ikonografie blitzt mitunter etwas Diabolisches auf.
Wer die falschen Fährten und das Überraschungsfinale des Romans kennt, wird sich darüber nicht weiter wundern. Alle anderen sitzen im Kino, misstrauen der Kirche – und dem Happy End. Steckt der Teufel vielleicht doch unter so mancher Soutane?
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