Film: Als die Bilder lächeln lernten
In guten und in schlechten Zeiten: Die Ufa feiert ihren 90. Geburtstag. Die Geschichte eines Unterhaltungserfolgs.
Was verbindet die Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ mit dem berühmten deutschen Tonfilm „Der Blaue Engel“? Eine Firma, deren Name zum Mythos wurde: die Ufa, die in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag feiert.
Und was unterscheidet die alte von der neuen Ufa? Für die alte warb als Warenzeichen ein Rhombus mit großem U und großem A, das kleine, verbindenden f hatte die Form eines Filmstreifens. Das Logo der neuen Firma ist ein moderner Rhombus mit 15 dynamischen, miteinander verbundenen Linien, die das Kraftfeld der Radio- und Fernsehwellen symbolisieren. Unter diesem Zeichen ist die „UFA Film- und TV-Produktion“ zum größten Produzenten in Deutschland gewachsen – mit dem alten Logo in der Hinterhand. Alt und Neu verbindet über alle Zeitwenden hinweg der Anspruch, ein großes Publikum zu unterhalten. Nur das Aktionsfeld hat sich verändert: Der Film ist längst nicht mehr die primäre Vergnügungsquelle.
1917 war das Kino gerade mal 22 Jahre alt. Im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs richtete Generalstabschef Erich Ludendorff an sein Königliches Kriegsministerium den dringlichen Appell: „Für einen glücklichen Abschluss des Krieges ist es unbedingt erforderlich, dass der Film überall da, wo die deutsche Einwirkung noch möglich ist, mit dem höchsten Nachdruck wirkt.“ So gründeten das Deutsche Reich und die Deutsche Bank mit einem Stammkapital von 25 Millionen Mark die „Universum-Film Aktiengesellschaft“. Den Krieg konnte Deutschland auch mit den Mitteln des Films nicht mehr gewinnen, aber für die Zeit danach war die Ufa gut aufgestellt.
Schnell wurde die Ufa-Gründung Legende, als Ursprungsmythos des ersten großen deutschen Filmkonzerns mit eng verflochtenen Sparten: Produktion, Aufnahmestudios, Verleih, Kinokette. Erstaunlich bald nach dem verlorenen Krieg gelangen der Ufa erste Exportschlager: Ernst Lubitschs „Madame Dubarry“ (1919), Fritz Langs „Dr. Mabuse, der Spieler“ (1922) und Murnaus „Der letzte Mann“ (1924). Die großen Premieren fanden im Berliner Ufa-Palast am Zoo statt, jenem Kino, das zu den Kulturorten der jungen Weimarer Republik zählte. Die Inflation 1923 überstand die Ufa einigermaßen unbeschadet; ihr Kapital waren vor allem die kreativen Künstler, Lubitsch, Lang und Murnau, die Autoren Carl Mayer und Thea von Harbou und natürlich die Stars: Henny Porten, Pola Negri und Asta Nielsen, Emil Jannings, Harry Piel und Conrad Veidt. Gedreht wurde meist in Neubabelsberg, den Studios vor den Toren Berlins. Und einer hielt alles zusammen: der Produzent Erich Pommer.
Dummerweise verspekulierte sich Pommer 1926 mit Langs „Metropolis“Film. Für einen Blockbuster war die Zeit wohl noch nicht reif, die Ufa geriet in finanzielle Abhängigkeiten. Gerettet wurde sie mit amerikanischem Geld, dann mit dem Vermögen des Nationalkonservativen Alfred Hugenberg. Nach dem Kraftakt des Übergangs zum Tonfilm setzte sie mit den Filmoperetten „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) und „Der Kongreß tanzt“ (1931) erneut Erfolgsmaßstäbe, mit dem „Blauen Engel“ machte sie Marlene Dietrich berühmt, und mit dem U-Boot-Film „Morgenrot“ diente sie sich dem Nationalsozialismus an.
Viel Unterhaltung und ein bisschen Propaganda: Das verordnete Propagandaminister Goebbels, der neue „Schirmherr“ der Ufa, nach der Gleichschaltung des Films durch die Nazis. Ab März 1933 durften keine Juden mehr für die Firma arbeiten oder wie Reinhold Schünzel nur mit Ausnahmegenehmigung. Viele Filmleute jüdischer Herkunft verließen die Ufa und Deutschland quasi über Nacht. Zu ihnen gehörten einige der Größten: Fritz Lang, Erich Pommer, Robert Siodmak, Billy Wilder, Friedrich Holländer, Conrad Veidt – ein Exodus, von dem der deutsche Film sich nie wieder erholte.
Die neuen Erfolgsregisseure des Staatskonzerns Ufa hießen Veit Harlan und Karl Ritter, Wolfgang Liebeneiner und Gustav Ucicky. Ihre Stars waren Lilian Harvey und Willy Fritsch, Hans Albers, Emil Jannings und Heinz Rühmann, Zarah Leander und Kristina Söderbaum. Es entstanden Komödien und Melodramen, Biopics und Abenteuerfilme. Die Botschaften waren „volksnah“, die Unterhaltungswerte beträchtlich: Beim 25. Geburtstag, den die Ufa etwas verspätet im März 1943 mit der Uraufführung von „Münchhausen“ feierte, freute sich das Kinopublikum über den Ritt auf der Kanonenkugel, denn in der Realität gab es nichts zu lachen. Die Schlacht von Stalingrad war verloren, Goebbels bereitete die Deutschen auf den Totalen Krieg vor.
In der letzten Kriegsphase konnte die Ufa noch zwei sehr konträre Filme produzieren. „Kolberg“ von Veit Harlan, mit 200 000 Statisten und 8,5 Millionen Reichsmark Produktionskosten der aufwendigste NS-Film, wurde am 31. Januar 1945 in der Atlantikfestung La Rochelle uraufgeführt, Helmut Käutners „Unter den Brücken“ mit Carl Raddatz, Hannelore Schroth, Gustav Knuth und einem schmalen Produktionsbudget kam erst nach dem Krieg in die Kinos: eine Vision vom Frieden – und einer der schönsten und individuellsten Filme der Ufa.
Für die Alliierten war 1945 das Schicksal der Ufa klar: Liquidation. Die sowjetische Militäradministration enteignete das Studio Babelsberg und lizenzierte eine neue Gesellschaft: Die „Deutsche Film AG“, die Defa. Von 1946 bis 1993 war sie so etwas wie ein Gegenmodell zur Ufa: antikapitalistisch und antifaschistisch, als Staatsfilmgesellschaft der DDR teils folgsam, teils widerständig.
Währenddessen kamen die Westalliierten mit der Auflösung der alten Ufa nur schwer voran. Ihre „Lex Ufi“ von 1949 wurde von der ersten deutschen Bundesregierung ausgesessen und 1953 durch ein eigenes Gesetz ersetzt. Damit war der gehasste und geliebte Name „Ufa“ gerettet. Für den Kinoboom der fünfziger Jahre kam das allerdings zu spät, der erste Nachkriegs-Ufa-Film hatte erst 1958 Premiere: „Ist Mama nicht fabelhaft?“ An ihn muss man sich nicht erinnern – und schon 1963 war die Nachkriegs-Ufa pleite und stand zum Verkauf. Es war wohl eine Mischung aus Trotz und Kalkül, die den Bertelsmann-Verlag veranlasste, sich eine marode Filmfirma ins Haus zu holen, inklusive des Namens- und Markenrechts und des traditionellen Rhombus. Die Filmrechte verkaufte Bertelsmann an den Bund, die Kinos an den Filmtheatermann Heinz Riech, der als Vater der „Schachtelkinos“ in die Geschichte einging.
Eine Feier zum 50. Geburtstag der Ufa, 1967, fand nicht statt. Bei Bertelsmann wurden erst einmal die Akten geordnet und die Perspektiven bedacht. Zuständig für die Zukunft war der Filmkaufmann Werner Mietzner, der mit Geduld und Fantasie den Medienwechsel vom Kinofilm zum Fernsehen vollzog. Das dauerte mehr als zwanzig Jahre, eigentlich bis 1992, als die neue UFA (jetzt mit Versalien) in ihre alte Heimat zurückkehrte, nach Babelsberg. Der mühselige Weg dorthin durch die westdeutsche Medienwelt der siebziger und achtziger Jahre verdankte seine größten Erfolge dem Hunger der öffentlich-rechtlichen und ab 1984 auch der privaten Fernsehveranstalter nach Programm, nach Sendungen, und attraktiven „Formaten“. Hier konnte sich die neue UFA mit Glück und Medienverstand positionieren.
Der 75. Geburtstag, zwei Jahre nach der deutschen Einigung, wurde mit einer großen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum gefeiert; zwei Bücher zogen kritisch Bilanz: „Das Ufa-Buch“, herausgegeben von Hans-Michael Bock und Michael Töteberg (Zweitausendeins) und Klaus Kreimeiers „Ufa-Story“ (Hanser). Sie sind Kompendien zur deutschen Filmgeschichte; zur neuen FernsehUFA äußern sie sich nicht.
Heute ist die UFA ein eigener Konzern mit sechs Töchtern, darunter „Grundy Light Entertainment“, „Phönix Film“ und „team Worx“. Produziert wird alles, was gut und teuer ist: TV-Movie, Reality, Show, Event, Serie. Die Firmenwerbung klingt ein bisschen nach KaDeWe des Fernsehens, beschworen werden Vielfalt und Qualität. Kreativität wird mehr von den Producern erwartet als von Autoren, Regisseuren oder Kameraleuten. Immerhin arbeiten Jo Baier, Roland Suso Richter und Kai Wessel für die Event-Produktionen, allerdings nicht exklusiv. Auch das Starsystem hat sich wie überall sonst verändert. Engagiert wird heute – und das hat seine Vorteile – für die jeweilige Rolle mit Blick auf Leistung und Popularität. Namen bringen Quote: Das ist die Messlatte für Heino Ferch und Veronica Ferres, Maria Furtwängler und Sebastian Koch, Benno Fürmann und Nadja Uhl. Sie sind keine UFA-Stars, sie sind Fernsehstars. Im besten Fall besteht ihr Event aus zwei Teilen und hat Folgen: mit dem Engagement für eine nächste Rolle.
Die neue UFA fühlt sich in der Tradition ihrer Ahnin. Aber was einst noch erfunden werden musste und gelegentlich mit Kunst zu tun hatte, wird heute industriell gefertigt. Es ist bunter geworden, zum schnelleren Verbrauch bestimmt und darf bald nach dem Genuss vergessen werden. „Metropolis“ gehört inzwischen zum Weltkulturerbe. Das Event-Movie „Dresden“ wird es schwer haben, einmal auf die Liste zu kommen. Aber die Ufa wird ja auch erst 90 Jahre alt.
Der Autor war bis 2006 Vorstand der Stiftung Deutsche Kinemathek und Direktor des Filmmuseums Berlin. Er schrieb das Vorwort zum Ufa-Bildband, der im Oktober im Nicolai Verlag erscheint. – Der Ufa-Geburtstag wird am 23. 8. in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz gefeiert.
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