"Die Kleinen und die Bösen" mit Christoph Maria Herbst: Kinder, Kohle, Kloppe
Prima Proll-Komödie: „Die Kleinen und die Bösen“ stellt Christoph Maria Herbst als zärtlichen Lakoniker und Peter Kurth als vierschrötigen Hawaiihemd-Träger gegenüber.
Boah, ist Hotte fies. Was macht er, als der Köter der Nachbarin in den Laubengang vor seiner Wohnungstür pinkelt? Klingelt Sturm, packt die wehrhaft Pfefferspray versprühende Blondine, zerrt sie raus, ringt sie nieder und wischt mit ihren Haaren die Pfütze ihres Fiffis auf.
Ja, es geht gelegentlich ganz schön kernig zu in der Proll-Szene, die Markus Sehr in seiner Dramödie „Die Kleinen und die Bösen“ zeichnet. Da gehen notorisch klamme Kleinkriminelle wie der dreiste Hotte Mazocha (Peter Kurth) und der dusselige Ivic Pancev (Ivo Kortlang) im Büro des Bewährungshelfers Benno Meurer (Christoph Maria Herbst) ein und aus. Nicht weil sie wieder ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft werden möchten. Sondern weil es Transferleistungen zu schnorren und Bewährungsauflagen einzuhalten gilt. Oder bislang komplett ignorierten Nachwuchs zu betreuen, wie es Superasi Hotte geschieht.
Der erkennt seine Chance, Kindergeld abzuzocken, als ihm ein ignorantes Jugendamt die Aufsicht für die bislang von der Oma betreuten Kinder Dennis und Jenny überträgt. Nach einem tragischen Unfall konkurrieren dann Bennos Fürsorgetrieb und Hottes verschüttete Vaterliebe. Plötzlich wollen sich beide um die 14 Jahre alte Jenny kümmern – und nebenbei einen Batzen gestohlenes Geld beiseiteschaffen, das den Weg in die jeweilige Zukunft auf einer Trauminsel vergolden soll. Klar, dass das kriminelle und komödiantische Turbulenzen produziert.
Proll-Rolle? Nur noch mit Peter Kurth
Regisseur Markus Sehr, der 2011 Kurt Krömer als eher hilflosen Helden seiner durchwachsenen Komödie „Eine Insel namens Udo“ inszenierte, hat diesmal mit den Gegenspielern Kurth und Herbst alles richtig gemacht. Überhaupt ist „Die Kleinen und die Bösen“ mit Anne Kim Sarnau, Pasquale Aleardi und Dorka Gryllus in den Nebenrollen und besonders mit der jungen Emma Bading als zusehends an Selbstbewusstsein zulegender Jenny stimmig besetzt.
Christoph Maria Herbst erweitert sein natürliches Schauspieler-Habitat, das Büro, um flotte Mofa-Fahrten durch das hässliche Köln. Sein Benno ist ein zärtlicher Lakoniker, kein Sarkast wie Stromberg. Neben diesem schüchternen Hänfling nimmt sich der vierschrötige Hawaiihemd-Träger Hotte gleich noch mal so unflätig aus. Den stellt der Theaterschauspieler des Jahres 2014 mit einer körperlich spürbaren, kaltwarmen Rotzigkeit dar, die ihresgleichen sucht. Proll-Rolle zu besetzen? Ab jetzt bitte nur noch mit Peter Kurth. Der macht weder eine Witzfigur noch eine Sozialromantikershow aus Hotte.
Zu ernst für Komödie - zu lustig für Tragödie
Erfreulich ist überdies, dass die Arbeitersiedlung, wo Hottes Kinder in der Wohnung der verstorbenen Oma wohnen, zwar oll, aber nicht denunzierend schäbig aussieht. Ist zwar Schmuddelmilieu, aber eins mit Retroausstattung und farbintensivem, trotzdem nicht aufgesetzt wirkendem Look (Kamera: Leah Striker).
Was dagegen ein wenig irritiert, ist die Temperatur des Films. „Die Kleinen und die Bösen“ ist zu ernst für eine Komödie und zu lustig für eine Tragödie. Schön, dass Markus Sehr auf dauerquasselnde kriminelle Knallchargen verzichtet und richtige Menschen zeichnet. Doch bei einem derart staubtrockenen Humor bräuchte es mehr Sentiment in der Geschichte, sonst gibt es Kratzen im Hals.
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