Entscheidung in München: (K)ein neuer Saal für die Klassik
Ein Plan, viele Misstöne: München wird keinen neuen Konzertsaal erhalten, stattdessen soll die Philharmonie im Gasteig umgebaut werden
Ein viele Jahre gehegter Traum der Münchner Kulturszene ist zerplatzt: Nach dem Willen der Stadt und des Freistaats Bayern wird kein zweiter großer Konzertsaal an der Isar gebaut werden. Stattdessen soll die Philharmonie im Kulturzentrum Gasteig an ihrem jetzigen Standort beseitigt und noch einmal neu gebaut werden. Dies haben Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in seltener Einigkeit entschieden. Die immer wieder bemängelte schlechte Akustik des Saales würde dann "auf Weltniveau" verbessert werden, wie Seehofer sagt.
Die Kritik an der Entscheidung nimmt nun drastisch zu und könnte das Vorhaben wiederum ins Wanken bringen. Die Kulturschaffenden und das Klassik-Publikum zeigen sich bestürzt und entsetzt. Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, spricht etwa von einem "schweren Schlag für die Orchesterkultur". Dirigenten wie Kent Nagano oder der Pianist Lang Lang haben sich gegenüber Seehofer nachdrücklich für einen neuen Saal ausgesprochen. Der Plan, den Gasteig zu entkernen und den Konzertsaal als Herzstück noch einmal hinein zu bauen, mutet tatsächlich sonderbar an.
Werden die neuen Pläne realisiert, wird es in der Zeit des Umbaus - geschätzt werden fünf bis acht Jahre - gar keinen großen Saal mehr in München geben. Es bliebe lediglich der Herkulessaal in der Residenz, der aber lediglich 1270 Plätze hat. Die jetzige Philharmonie bringt es auf 2400. Ob die Sanierung des Gasteig reibungslos klappt, wird von vielen Kritikern bezweifelt. Der Plan mutet architektonisch waghalsig an, in das 1985 fertiggestellte riesige Gebäude derartig massiv einzugreifen. Der Gasteig ist die mit Abstand meistbesuchte Kultureinrichtung Münchens. Neben der Philharmonie befinden sich die Stadtbibliothek und die Volkshochschule darin.
Immer wieder war kritisiert worden, dass sich in München die beiden großen Orchester - Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - den Gasteig teilen mussten. Als letztlich geeignetster Standort für einen neuen Saal war ein Park in der Nähe des Hofgartens ausgemacht worden.
Über die Motive von Seehofer und Reiter, warum sie sich gegen den Neubau stellen, wird nun spekuliert. In Teilen der Bevölkerung gilt klassische Musik als viel zu hoch subventioniert und als Spektakel für eine kleine elitäre Minderheit. Von dieser Auffassung wissen die Politiker und auch davon, dass sie mit einem spektakulären, teuren Neubau nicht nur auf Sympathien stoßen würden.