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Warum so streng mit den Besuchern? Adam Szymczyk, künstlerischer Leiter der Documenta 14.
© Uwe Zucchi/dpa

Glosse zur Documenta: Kasseler Kalamitäten

Von wegen Besucher sind Besitzer. Eine Glosse über omnipräsentes Aufsichtspersonal, Rucksack- und Regenschirmverbot auf der Documenta 14.

Die wahren Besitzer der Documenta sind die Besucher. Das sagt Adam Szymczyk, ihr Chef. Okay, er erzählt auch manches krude Zeug, zum Beispiel, dass wir Bildungsbürger uns nicht von legitimierten Funktionären wie Kuratoren und Künstlern vorschreiben lassen sollen, was wir in den ausgestellten Arbeiten zu sehen haben – weil nämlich die Momente des Nicht-Verstehens fundamental sind für die Erfahrung von Kunst. Pädagogischer Frontalunterricht infantilisiert die Betrachter, findet Szymczyk. Stattdessen sollen die Documenta-Gäste sich lieber in Partizipation üben, zum Beispiel beim gemeinsamen Singen im Parlament der Körper.

Aber der Satz mit den Besuchern und den Besitzern ist gut. Schade nur, dass er in Kassel von den realen Gegebenheiten komplett konterkariert wird. Weil der Neugierige in Kassel gnadenlos mit der bürokratischen Wirklichkeit des Ausstellungsbetriebs konfrontiert wird.

Den Nachbau des Athener Parthenon, der auf dem Friedrichsplatz zwischen Taxistand und Garderobencontainer aufgebaut ist, mit dem Rollkoffer durchqueren? Vergiss es! Das ist ebenso wenig gestattet wie das Berühren der Folie, mit denen die verbotenen Bücher, um die es hier geht, ans Metallgestänge gewickelt sind. Weh, ein mitreisendes Kind streckt überrascht den Zeigefinger aus, weil hier auch Harry-Potter-Bände zu sehen sind! Verpönt ist ebenso die Mitnahme von Stock-Regenschirmen! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder die Kunststoffschicht angrabbelt oder -piekst, die ja schließlich 100 Tage lang dem deutschen Sommerwetter trotzen muss?

Ihr verdammten Spießer

Das Verhältnis von Aufsichtspersonal zu Besuchern entspricht in Kassel dem von Polizisten und Demonstranten bei so mancher Kundgebung. Der Gast fühlt sich förmlich umzingelt von seinen Bewachern. „Bitte beachten Sie, dass die maximale Taschengröße in den Ausstellungsgebäuden 33x23x10 cm beträgt“, warnt schon die Eintrittskarte. Mit anderen Worten: Wer mehr als ein Laptop mitführt, wer sich für den langen Kunstparcours gar mit Proviant, erklärender Lektüre und Regenschutz gewappnet hat – für den gilt: Marsch, Marsch zum Garderobencontainer, dort das Sperrgepäck abgegeben und sich erneut in die Schlange am Eingang eingereiht! Rucksäcke jeder Art sind übrigens auf der Documenta generell verboten, selbst wenn sie den Maximal-Maßen entsprechen und selbst wenn es sich um Stoffbeutelchen mit dünnen Kordeln handelt.

Ihr verdammten Spießer, ich bin doch kein G-20-Gegner, sondern ich will einfach nur Kunst anschauen!, möchte man die omnipräsenten Ordner anschreien. Aber die können ja letztlich gar nichts dafür. Die Regeln werden schließlich von ihren Chefs gemacht. Wer war das bei der Documenta doch gleich? Ach ja, Adam Besucher-Sind-Besitzer Szymczyk.

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