Freihandelsabkommen: Kampf der Demokratien
Ist es der Untergang des Abendlandes? Kulturschaffende kämpfen gegen das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA - und haben jetzt in der Berliner Akademie der Künste darüber diskutiert.
„Verteidigt die Kultur!“ Schon der Titel lässt wenig Zweifel an der Botschaft aufkommen. Rote Schrift auf weißem Grund, Signalwirkung. Genau die soll von der Gesprächsrunde in der Berliner Akademie der Künste ausgehen. Kultur verteidigen, klar, immer doch. Aber worum geht es noch mal? Welcher böse Aggressor bedroht uns? GroKo? NSA? Google, Apple, Amazon? Nein, vom geplanten Freihandelsabkommen ist die Rede, von Kennern auch TTIP (sprich „Tietipp“) genannt. Eigentlich zu ernst, um Witze zu machen – so zumindest der Tenor von Gastgeber und Akademie-Präsident Klaus Staeck. Er kämpfe hier den Kampf seines Lebens, ließ der Plakatkünstler wissen. Damit war die Fallhöhe schon mal klar.
Tietipp also. Vier kleine Buchstaben, hinter denen sich nichts weniger als der Untergang der europäischen Hochkultur verstecken soll. Denn der wird kommen, wenn Brüssel nicht aufs Kleingedruckte achtet. Wenn die Kanzlerin „Kulturgüter“ nicht kategorisch aus den Verhandlungen ausschließt. Und wenn die deutsche Kulturszene nicht endlich aus ihrem Schlaf erwacht und sich geschlossen dem transatlantischen Handelsabkommen zwischen der EU und den USA entgegenwirft. So weit war man sich sofort einig. „Wir haben durchaus nach abweichenden Positionen gesucht“, entschuldigte Staeck die homogene Meinungsfront. Allein – es fanden sich keine TTIP-Befürworter. Jedenfalls nicht unter den Kulturschaffenden.
Das beschworene Horrorszenario geht so: EU und USA einigen sich bald in einem intransparenten Verfahren unter Ausschluss der Zivilgesellschaft auf ein Freihandelsabkommen. Die Kulturgüter werden nicht ausgeklammert, sondern behandelt wie jede andere Ware. Käme noch eine Klausel zum Investitionsschutz hinzu, könnten amerikanische Unternehmen künftig auf Schadenersatz klagen, wenn sie glauben, dass ihnen der Zugang zu einem Markt durch Handelshemmnisse erschwert wird. Was also, wenn Amazon gegen die deutsche Buchpreisbindung klagt? Oder amerikanische Produktionsfirmen gegen europäische Filmförderprogramme? Noch sind das wilde Spekulationen. Man müsse Verträge aber immer auf ihre Worst-Case-Konsequenzen hinterfragen, verteidigt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, die kollektive Schwarzmalerei.
Den Kampfgeist stachelt auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an. Zweifellos gehe es um viel, ja „ums große Ganze“ – „um unsere Identität als Kulturnation“. In ihrer Brandrede, die sie so ähnlich schon öfter gehalten hat, galoppierte sie in atemberaubenden Tempo durch die blühende deutsche Kulturlandschaft: Höchste Theaterdichte der Welt! Volle Museen! Viele renommierte Orchester! Zweitgrößter Buchmarkt der Welt! Breit ausdifferenzierte Medienlandschaft! Und so weiter. Diese Vielfalt sei nur möglich, „weil wir unsere Kultur schützen und auskömmlich finanzieren, sie unabhängig machen von Zeitgeist und privaten Geldgebern.“ Aus amerikanischer Sicht aber seien diese Strukturen befremdlich, man empfände sie als „protektionistisch“. Umso wichtig sei es, die richtigen Schutzschilde aufzufahren. Etwa die von der EU unterzeichnete Unesco-Konvention „zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“. Immerhin gibt es mittlerweile einen Verweis darauf in den TTIP-Papieren. „Und das ist nicht banal, das hat viele Sitzungen gebraucht!“ Die Kulturstaatsministerin wird pathetisch: „Auch wenn sich hier zwei Demokratien gegenüberstehen, gilt es, unser Verständnis von Demokratie schützen.“
Klaus Staeck befürchtet weiter „das Schlimmste“. Auch wenn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel besänftigende Worte Richtung Kulturbranche gesprochen hat. Nur – reicht das? Aus Brüsseler Quellen weiß Staeck: Die amerikanischen Unterhändler haben sich bisher nicht einen Millimeter bewegt.