Podiumsdebatte in Berlin: Jüdische Künstler über Abgrenzung und Identität
Wie stark beeinflusst das Jüdischsein Künstler bei ihrer Arbeit? Über diese Frage diskutierte ein Panel im Box Freiraum in Friedrichshain.
„Wenn man als Jude angegriffen ist, muss man sich als Jude verteidigen.“ Das sagte Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus 1964. „Wenn ich als Jude gelabelt werde, muss ich als Jude antworten“, sagt auch der jüdische Lyriker Max Czollek Dienstagabend bei der Veranstaltung „Asyl im Paradies – jüdische Kunst in Europas Metropolen“, die das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk im „Box Freiraum“ in Friedrichshain veranstaltete.
Der Satz ist die Antwort auf eine Publikumsfrage, die davon handelt, ob es notwendig sei, das „jüdisch“ im Bezug auf die Kunst hervorzuheben. Anlass der Paneldebatte war das Screening eines Kurzfilms von Daniel Laufer zu jüdischen Künstlern in Berlin. In der 30-minütigen Dokumentation sprechen acht Männer und Frauen über ihre Arbeit mit Knete oder Reispapier, als Foto oder Skulptur.
Die dominierenden Fragen des Abends sind: Gibt es jüdische Kategorien des Ästhetischen? Wie weit leitet das Jüdischsein die Künstler in ihrer Arbeit an? Während die erste Frage am Ende weitgehend unbeantwortet blieb, entspann sich um die zweite eine rege Debatte.
Czollek, Kurator der „Radikalen jüdischen Kulturtage“ und des Kongresses „Desintegration“, der 2016 am Maxim-Gorki-Theater stattfand, spricht sich für Desintegration aus – die Abgrenzung und Adressierung des Jüdischseins. Das nicht zu tun, würde bedeuten, die Zuschreibung als Jude von außen ohne Reaktion hinzunehmen. Für die Künstlerin und Ethnologin Ofri Lapid ist das Jüdischsein allerdings kein Thema bei ihrer Arbeit: „Was mich bewegt, ist etwas, das nicht zu mir gehört. Meine Arbeit bezieht sich nicht auf meine eigene Biografie.“
"Jetzt spiele ich für euch nicht mehr den Juden"
Der Hörspiel- und Theaterregisseur Noam Brusilkovsky, der mit „Broken German“ gerade den deutschen Hörspielpreis der ARD gewonnen hat, erzählt, wie er in einem Umkleideraum nach dem Yoga von einem Fremden angesprochen und von ihm für seine Herkunft gefeiert wird. Er nennt das eine „aggressive Liebe“, die ihm hier in Berlin entgegenschlage. Das Jüdischsein spiele manchmal eine Rolle für seine Arbeit, manchmal aber auch nicht. Hin und wieder müsse er auch sagen, „jetzt spiele ich für euch nicht mehr den Juden, ich habe auch andere Facetten“, sagt er.
Immer wieder spielt an diesem Abend auch die Herkunft der Künstler eine Rolle. Evgenia Gostrer, geboren in Woronesh, im Südwesten Russlands, kam mit 15 Jahren nach Deutschland und lebt seit Kurzem in Berlin. Hier könne sie ihr Jüdischsein offen aussprechen, sich damit, auch in ihrer Kunst, auseinandersetzen. In Russland hingegen sei es etwas gewesen, was es zu verbergen galt, sagt sie.
Identität, Migration, Zuflucht, das stecke auch in der Titelwahl des Films, sagt Regisseur Daniel Laufer. Seine Doku trägt den gleichen Namen wie die Veranstaltung, nur auf Englisch: „Asylum in Paradise“. Angestoßen durch den gleichnamigen Song der Ostberliner Band „Silly“, solle „Asyl“ auf die Migrationsgeschichte der interviewten Künstler anspielen. Außerdem gehe es auch darum, sich vor der Welt in die Kunst flüchten zu können.
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