zum Hauptinhalt
Stadtindianer. Rainald Grebe in seinem Businesslook.
© dpa

Rainald Grebe: Jedem sein eigener Klaus

„Berliner Republik“: Nach Abstechern zum Sprechtheater macht Rainald Grebe im Admiralspalast nun wieder eine Musikshow.

Selber schuld. Jeder wie er da ist. Selber schuld, Grebe, dass die Show schon am Anfang hängt, hättste mal länger geprobt. Selber schuld, Schlagzeuger, wenn du aus der Band fliegst, weil dein immer weiter aufgehender Hermann-Hefeteig die Künstlergarderobe verklebt. Wie willste mit so einer Spießerbackware am Hacken noch kreativ sein? Oder du Keyboarder, selber schuld. Kommst da an Krücken auf die Bühne gehinkt. So kannst du doch kaum was können, niemals alles geben! Jeder muss alles können, muss flexibel sein. Und wenn’s hakt, ist jeder selber schuld, nie das System, nie die Berliner Republik.

Nach der hat Rainald Grebe sein neues, im Admiralspalast uraufgeführtes Programm genannt, in dem er wacker an der von ihm eingeforderten Selbstoptimierung des Individuums arbeitet. Per Videoprojektion ist er vor der Show bei der Massage und zwischendrin bei der Blutwäsche zu sehen, er trägt Anzug zum traditionellen Federkopfputz und singt im Song „Berater“ vom segensreichen Wirken dieses gar nicht hoch genug zu schätzenden Berufsstandes.

Ja, er lässt die Nummernrevue, die ihn nach zwei Wortprogrammen am Gorki-Theater endlich wieder mit der Musik, das heißt mit dem tollen Orchester der Versöhnung zusammenführt, im üblichen Improstil in die erste Hälfte rumpeln („Wir machen bis zum Monatsende weiter und irgendwann wird auch dieser Abend rund.“), aber er macht auch ordentlich Druck. Politisch: Wenn er zum Unterzeichnen einer im Foyer ausliegenden Petition gegen das transatlantische Freihandelsabkommen auffordert. Privat: Wenn er den durch die NSA-Affäre zu neuer Popularität gelangten Begriff Transparenz in eklige Einspielbilder seines angeblich optimierten Körpers und Rachens übersetzt. Entertainerisch: Wenn er per Lichtshow, Hallensound und Musikerkostümierung das große Showbesteck wetzt und zweieinhalb Stunden mit maximaler Atü-Zahl durchsingt. Und das als der theatrale, grimassierende Presssänger, der er eh ist.

Keine Frage, Rainald Grebes Spiegel-Online-Liedermacherei, wie er das kurzfristige Verwursten politischer Realitäten und gesellschaftlicher Befindlichkeiten nennt, hat nach wie vor Wumms. Besonders bei der Demaskierung der eitlen Allerweltstoleranz und Politlethargie der gebildeten Stände, macht dem Lieblingskabarettisten eben dieser urbanen Kaste kein anderer Satiriker etwas vor.

Groß ist die bitterböse Nummer „Brunchen“, in der Grebe das null und nichtige Geschwätz einer Bande von Kreativfrühstückern in Mitte konterkariert. Speziell einen Klaus, den Klaus in uns allen, der dauernd erbärmliche Sätze wie diesen quatscht: „Mit Lampen, da muss man sich echt Zeit lassen.“ Und dann alle: „Wir heben das Glas auf die Liebe, das Leben und die KSK! / Äh, was war heute noch mal? / Ach ja, Bundestagswahl!“

Auch ganz lustig, aber nicht ganz so dornig sind zwei Songs, die sich ebenfalls mit bekannten Phänomen befassen: „Multitasker“ und „Crowdfunding“. Superdoppelplusgut und ganz offensichtlich befeuert von den Theater-Lehr- und Wanderjahren des Ernst-Busch-Absolventen ist die Nummer „Art“. Vorher stellt der Zampano die Saalfrage: „Wer von Ihnen war denn dieses Jahr im Theater?“ Einige Hände im vollen Admiralspalast heben sich. Nur noch zwei Prozent der Deutschen schätzten die Hochkultur, stellt Grebe fest. Und setzt zum coolen Bashing eines arroganten Art-Arschlochs an, das als Regiestar um die Welt jettet: „2017 dann Sabbatjahr / Okay, zwei kleine Dinger in Avignon / Projekt über Angst – mit einem Schauspieler und Heißluftballon.“

Nach der Pause geht die Druckbetankung weiter, mit groovendem Soul, runderem Fluss und endlich weniger Hall auf dem Gesangsmikro. „Loch im Himmel“ heißt das schöne Lied, das dem das Piano vernachlässigenden Grebe die erste und einzige Chance auf Traurigkeit gibt. Mit tränenverschleiertem Blick fällt einem auf, dass der Kuschelfaktor von Grebes Heimatabend vorletztes Jahr in der Waldbühne einem deutlichen Stacheldrahtappeal gewichen ist. Dem verkappten Romantiker treibt das GroKo-Deutschland spürbar Verzweiflung ins Gemüt. Grebe fühlt sich nicht nur in der bejubelten Zugabe irgendwie „Brandenburg“. Tja, Rainald, selber schuld. Gunda Bartels

Admiralspalast, bis 30. Dezember (außer 24. und 25.), jeweils 20 Uhr

Zur Startseite