Frank Schmolkes „Trabanten“: Jackson Pollock als Ventil
Gefangen in einer Umlaufbahn aus Gewalt und Orientierungslosigkeit: Frank Schmolkes Graphic Novel „Trabanten“ beeindruckt mit einer klassischen Geschichte und ausdrucksstarken Bildern.
„Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei.“ Der berühmte erste Satz aus Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ leitet einen fast schon klassischen Erzählanfang ein. Ein männlicher Protagonist wird aus der Haft entlassen und versucht seinem Leben eine neue Richtung zu geben, alles richtig zu machen und vor allem „sauber zu bleiben“. Der Beginn von Frank Schmolkes neuer Graphic Novel „Trabanten“ wirkt wie ein Döblin-Zitat. Franz Huber, Namensvetter des „Alexanderplatz“-Helden Biberkopf, wird aus einem Münchner Gefängnis entlassen. Die Tätowierung auf seinem Arm ist noch frisch. Ein stolz aufgerichteter Pegasus soll ihn daran erinnern, dass er nie mehr eingesperrt sein will. Doch gleich am ersten Abend seiner neu gewonnen Freiheit kommt es zu einem tödlichen Unfall. Robert stürzt achtzehn Stockwerke in die Tiefe und sein Bruder Rolf glaubt fest daran, dass Franz der Schuldige ist.
Dem klassischen Erzählanfang folgt also eine ebenso klassische Geschichte. Der Held, der alles richtig machen will, gerät unverschuldet in einen Konflikt, der eine Reihe alter Probleme nach sich zieht. Zur Polizei kann er nicht gehen, weil niemand ihm glauben würde. So beginnt für Franz ein neues Leben im München der frühen 1980er-Jahre, dass nicht wirklich besser ist als sein altes. Der Job als Maler lässt keinen Freiraum zur Kreativität, konfrontiert ihn aber mit seiner panischen Höhenangst. Als Franz sich weigert noch einmal auf das Gerüst zu steigen, wird er entlassen. Gedemütigt und orientierungslos streift er durch die Stadt. Im Nacken sitzt ihm ständig Rolf, der Bruder des verunglückten Robert, der auf Rache aus ist.
Hollywoodreifer Showdown
Halt bekommt Franz in dieser Zeit von Gina, einer kunstinteressierten Krankenschwester. In ihrer Wohnung entdeckt er einen Bildband von Jackson Pollock, der seine Aufmerksamkeit erregt. In den ausdrucksstarken Gemälden spiegelt sich seine Zerrissenheit und Energie, sodass das Malen in Pollocks Stil wird ein wichtiges Ventil für Franz‘ Gefühle. Als die Affäre mit Gina abrupt endet, malt er sich in einen Rausch, der auf eine Leinwand allein nicht zu bannen ist. Allein gelassen und müde von der ewigen Flucht vor der Abrechnung mit Rolf fasst Franz einen Entschluss. Er kehrt zurück zu dem Hochhaus, von dem Robert stürzte.
Frank Schmolke hat mit „Trabanten“ eine klassische Graphic Novel geschaffen, in der die Figuren nicht viele Worte machen. Die Bilder sind ausdrucksstark und sprechen für sich. Der klare Schwarzweißstil, der viel mit Licht und Schatten arbeitet, vermittelt eine zwielichtige Atmosphäre, in der die Handlungsmöglichkeiten für den Protagonisten begrenzt sind. Wie ein Trabant scheint er um das so genannte normale Leben zu kreisen; auf einer Umlaufbahn, aus der man sich nicht befreien kann. Schmolkes filmisches Erzählen kommt mit wenigen, aber wirkungsvollen Effekten aus, von denen vor allem der hollywoodreife Showdown profitiert. Ein absolut empfehlenswerter Comic.
Frank Schmolke: Trabanten. Edition Moderne, 216 Seiten, 24 Euro. Eine Leseprobe gibt es hier.
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