Max Liebermann: In seinen Augen
Die Liebermann-Villa am Wannsee zeigt Porträts und Selbstporträts des Malers.
An die Hände wagt sich kaum einer. In den meisten Porträts von Max Liebermann sind die dunklen Augen hervorgehoben, die markante Nase und der ausladende Schädel. Nur Conrad Felixmüller misst den Händen des Malers Bedeutung bei. In seiner Lithografie von 1926 halten die kräftigen Finger Stift und Skizzenbuch. Diese Hände sind nicht Werkzeuge sondern Komplizen der Augen beim Versuch, die Welt zu erfassen. Zum Abschluss des Jubiläumsjahres, das an den 75. Todestag des Malers und das 100-jährige Bestehen seines Hauses erinnert, zeigt die Liebermann-Villa am Wannsee Porträts und Selbstporträts. Obwohl Liebermann „Ein öffentlicher Kopf“ war, so der Ausstellungstitel, obwohl er seine Selbstdarstellung lenkte, offenbaren die Bilder überraschend persönliche Seiten.
„Als Maler erkennt man beim Porträtieren seine Mitmenschen schlagartig und mir wurde Max Liebermanns Kunst jetzt klarer“, schreibt Felixmüller nach seinem Besuch. In seinem Porträt werden die Transparenz, Melancholie, aber auch Rationalität von Liebermanns Malerei deutlich. Die Gesichtszüge des 79-Jährigen sind fast durchsichtig, an der Schläfe schlängelt sich eine Ader, Falten zeugen von einer beweglichen Mimik.
Als Präsident der Preußischen Akademie der Künste gehört Liebermann damals zu den einflussreichsten Akteuren der Berliner Kunstpolitik. Die jungen Kollegen bitten um ein Porträt, verzweifeln aber aber mitunter an dem kantigen Preußen. Für Kirchner bleibt Liebermann fremd. Wie einen exotischen Vogel rückt der Expressionist den Impressionisten in die Ferne. Fritz von Uhde dagegen betont den physischen Aspekt des Zeichnens. In seinem Pastell von 1892 beugt sich Liebermann, die Zigarette im Mundwinkel, über den Block, als wollte er sich die Wirklichkeit einverleiben.
Die Suche des Großbürgers nach der Realität spricht auch aus Liebermanns Selbstporträts. Erst mit 55 Jahren beginnt Liebermann, sich systematisch selbst zu malen, mit dem eigenen Bild auseinanderzusetzen. 1902 bitten ihn die Uffizien in Florenz um ein Selbstbildnis für ihre Sammlung. Der erste Versuch zeigt den Maler noch im Moment des Schaffens. Später präsentiert sich Liebermann würdevoll gesetzt – zur Überraschung seiner Zeitgenossen, die sein übersprühendes Temperament kennen.
Der Blick in den Selbstporträts ist bezeichnend. Während Liebermann in Fotografien augenfunkelnd die Szene dominiert, erforscht er sein eigenes Spiegelbild mit weichem Blick. Er will hinter die eigenen Augen schauen. Der Künstler malt sich schmaler und verletzlicher, als ihn die Fotografen sehen. Seine Nase allerdings hebt er stärker hervor als sie auf den Fotos erscheint. Den langen Nasenrücken betont er mit einem Lichtakzent. Anzug, Einstecktuch und Sonnenhut – nie verzichtet Max Liebermann auf die Attribute großbürgerlicher Repräsentation. Sein Blick aber beharrt darauf, die Welt jenseits des schönen Scheins zu erkunden.
Der Raum mit Karikaturen erinnert daran, welchen Anfeindungen Liebermann Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesetzt war: nicht nur als Vertreter des Impressionismus oder Vorsitzender der Berliner Secession, sondern fast immer auch als Jude. In den Blättern mischen sich Sozialneid, Kunstfeindlichkeit und Antisemitismus zu Klischees, mit denen die Karikaturisten glauben, Volkes Stimme zu artikulieren. Die feine Zeichnung, die Heinrich Zille seinem Freund zum 80. Geburtstag widmet, gehört nicht in diese Gesellschaft. Zille, der die Schattenseiten der Gründerzeit dokumentiert, lässt das Berliner Proletariat vor der Villa am Wannsee Schlange stehen. Zur Gratulation verneigt sich das „Milljöh“ vor dem „lieben Mann“.
Liebermann-Villa, Wannsee, Colomierstr. 3, bis 28. 2.; Mi. bis Mo. 11–17 Uhr.
Simone Reber
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