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Als er noch ein Held war. Placido Domingo in der Rolle des Siegmund in der "Walküre" an der Met.
© dpa

Diskussion um Placido Domingo: In New York unerwünscht

Der Sängerstar sagt Auftritte an der Metropolitan Oper ab. Damit geht die #MeToo-Debatte im Klassikbereich in eine neue Phase. Ein Kommentar.

Nun haben sie ihn doch rausgeworfen. Nach der Veröffentlichung einer Recherche der Nachrichtenagentur AP, in der eine ganze Reihe von Frauen Placido Domingo unangemessen belästigendes Verhalten vorgeworfen hatte, wollte die Metropolitan Opera zunächst die Ergebnisse einer unabhängigen Untersuchung zu der Causa abwarten. Wie geplant sollte der Sängerstar darum jetzt in New York die Titelrolle in Verdis „Macbeth“ singen.

Nach der Bühnenorchesterprobe am vergangenen Samstag aber kam es zu hitzigen Diskussionen hinter der Bühne, wie die „New York Times“ berichtet. Dabei musste sich Intendant Peter Gelb vorwerfen lassen, die Mitarbeiterinnen nicht ausreichend vor dem übergriffigen Spanier zu schützen. Letztlich einigte man sich auf die offizielle Formulierung: „Die Met und Herr Domingo stimmen darin überein, dass er absagen musste.“

Juristisch Relevantes haben die Recherchen bisher nicht ergeben, argumentieren Domingos Verteidiger. Doch genau darum geht es ja in den #MeToo-Debatten: Spitzenkünstler und Firmenbosse müssen sich nicht erst ungesetzlich verhalten – es reicht, wenn sie die Grundregeln des menschlichen Miteinanders verletzten. Frauen zu begrabschen oder Untergebene anzubrüllen, das geht gar nicht, egal, wie genial oder mächtig jemand in seinem Beruf ist.

Derzeit befinden wir uns immer noch in Phase 1 des Umdenkprozesses: Die allermeisten Betroffenen trauen sich lediglich ihre Peinigerin anonymer Form anzuklagen. Ereignisse wie jetzt an der New Yorker Met, wo die Stimmung im Haus zuungunsten von Placido Domingo kippte, so dass die Leitung des Hauses reagieren musste, können aber dazu beitragen, dass Phase 2 erreicht wird. Im konkreten Fall würde das bedeuten, dass jene Frauen, denen der Sänger zu nahe getreten ist, offen ihre Namen nennen, wenn sie die Stimmen gegen ihn erheben.

Die Opfer müssen erfahren, dass sie nicht alleine stehen

Nur in diesen beiden ersten Phasen ist die Mithilfe der Presse vonnöten. Weil sie Druck manchen kann, als Lautsprecher dienen für die ersten Mutigen, die sich gegen Demütigungen und Belästigungen wehren. Über diese medialen Megaphone wird den vielen anderen Opfern klar, dass sie mit ihrem Schmerz oder ihrer Scham nicht alleine stehen. Dass sie nicht stumm bleiben dürfen, wenn sich nachhaltig etwas ändern soll.

Erst wenn Phase 3 erreicht ist, kann Grabschen und Brüllen dann zur inneren Angelegenheit eines Unternehmens oder einer Kulturinstitution werden. Wenn Subalterne „Stop!“ sagen können, weil sie wissen, dass die Mehrheit der Belegschaft hinter ihnen steht, dass auch bei den Spitzenkräften soziales Fehlverhalten nicht geduldet wird.

In den beiden bisher spektakulärsten #MeToo-Fällen der Klassikszene – beim Dirigenten Daniele Gatti und dem Amsterdamer Concertgebouworkest wie beim Dirigenten James Levine und der Metropolitan Opera – kamen am Ende irritierende bilaterale Stillschweigeabkommen der Institutionen mit den beschuldigten Künstlern heraus. Das kann wirklich nicht das Ziel sein.

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