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Kultur: In der Fanatikerecke

Bärtig, fanatisch, gewaltbereit: Ressentiments gegen Muslime gefährden unsere demokratische Kultur, schreibt der Historiker Wolfgang Benz.

Das Entsetzen über die Blutspur, die das rechte Terrortrio aus Thüringen über ein Jahrzehnt quer durch Deutschland hinterlassen hat, war kaum verebbt, als die Salafisten in die Schlagzeilen gerieten. Anfangs fielen sie vornehmlich dadurch auf, dass sie in traditioneller Kleidung in Fußgängerzonen den Koran verteilten. Doch als die Bürgerbewegung Pro NRW im Mai 2012 in Bonn beleidigende Karikaturen des Propheten zeigte, ließen sich einige radikale Salafisten zu Angriffen auf Polizisten provozieren. Das Resultat: Das Bild vom bärtigen, gewaltbereiten Muslim war wieder allgegenwärtig, obgleich die große Mehrheit der Muslime hierzulande an Konfrontationen keinerlei Interesse hat und zu den Salafisten deutliche Distanz hält.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass sich der Historiker Wolfgang Benz mit dem Thema Islamfeindschaft befasst. Mit Stereotypen und der Stigmatisierung von Minderheiten ist der Autor als ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung jedenfalls hinreichend vertraut. Ungeachtet der Vielfalt des Islam, schreibt Benz, ziele die Strategie der Islamgegner darauf ab, den Islam als Einheit erscheinen zu lassen, die dann mit Fanatismus und Terror assoziiert wird. Zugleich warnt der Verfasser vor einer „Ethnisierung sozialer Probleme über das Vehikel der Religionszugehörigkeit“. Diese Denkweise führe dazu, dass „Menschen aufgrund ihrer Herkunft als höher- oder minderwertig“ eingestuft werden und gefährde damit schließlich unsere demokratische Kultur, glaubt Benz.

Prominentester Vertreter der Islamgegner ist zweifelsohne Thilo Sarrazin. Über seinen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ ist viel gesagt worden, insbesondere zu seinen skurrilen rassentheoretischen Ausführungen. Eine Forschergruppe der Humboldt-Universität in Berlin um Naika Foroutan kam nach akribischer Untersuchung auch zu einem vernichtendem Urteil: Weder genüge Sarrazins Umgang mit Daten wissenschaftlichen Ansprüchen, noch spiegelten seine Statistiken die Realität. Aber hat der ehemalige Finanzsenator nicht immerhin eine längst überfällige Debatte angestoßen? In der Tat präsentiert sich Sarrazin gerne als Tabubrecher, doch ist unübersehbar, dass Autoren wie Udo Ulfkotte, Hans-Peter Raddatz oder Necla Kelek, mit denen sich Benz ebenfalls auseinandersetzt, sich seit Jahren öffentlichkeitswirksam und kritisch mit dem Islam auseinandersetzen.

Ohne jede Hemmungen werden antiislamische Ressentiments in Internetforen verbreitet, wo Weblogs wie „Politically Incorrect“ (PI) über das „Wesen des Islam aufklären“, wie der Begründer von PI, Diplomsportlehrer Stefan Herre, verspricht. In Wirklichkeit wird unter dem Vorzeichen der Meinungsfreiheit gegen Muslime Hetze betrieben. Verstört liest man Kommentare aus PI und anderen einschlägigen Blogs zum Mord an einer Ägypterin in einem Dresdner Gerichtssaal 2009, die Wolfgang Benz über Seiten zitiert.

Aufgelockert wird das Buch durch vier Interviews. Aufschlussreich ist das Gespräch, dass der Autor mit Erhart Körting führte, dem ehemaligen Berliner Innensenator. Darin plädiert der Politiker für mehr Gelassenheit und nennt als prägnantes Beispiel die Kopftuchdiskussion. Er erinnert daran, dass er nach 2001 selbst an einem Gesetz zur religiösen Neutralität mitwirkte. Heute lehnt er das Kopftuchverbot für Erzieherinnen ab und stellt es auch für Lehrerinnen nachdrücklich infrage.

Der Band endet mit einem Gespräch mit Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime. „Man möchte als normaler Bürger wahrgenommen werden“, wünscht sich Mazyek, „nicht nur im Kontext des Islam. Die deutschen Muslime wollen als Bürger des Staates wahrgenommen werden, als gute, loyale Steuer zahlende Bürger, die nicht kriminell sind wegen ihrer Religion.“

Wolfgang Benz: Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet. Verlag C.H. Beck, München 2012. 220 Seiten, 12,95 Euro.

Stefan Berkholz

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