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Nächster Halt Berlin: Dieses Bild zeichnete Achdé am Freitag für den Tagesspiegel.
© Tsp

Comic-Klassiker: In den wilden Osten

Lucky-Luke-Zeichner Achdé gab in Berlin eine Kostprobe seiner Kunst. In seinem neuen Album lässt er den Comic-Cowboy um seinen Ruf kämpfen.

Die schwarze Tolle sitzt sofort perfekt, nach wenigen Strichen sind der charakteristische Cowboyhut und das Pferd Jolly Jumper zu erkennen, Sekunden später gibt es kein Vertun mehr: Was der französische Comiczeichner Achdé am Freitagmorgen bei seinem Berlinbesuch blitzschnell aufs Papier zaubert, ist Lucky Luke, der alterslose Wildwest-Dandy. Seit 65 Jahren reitet der auch in vielen Filmen verewigte Held über die Prärie und bringt mit Witz und Beharrlichkeit die Schurken des Wilden Westens zur Strecke.

Dass der Cowboy keine Zeichen von Altersmüdigkeit zeigt und bis heute schneller zieht als sein Schatten, ist auch Achdé zu verdanken. Als Lucky Lukes Erfinder, der belgische Zeichner Morris, vor knapp zehn Jahren starb, sah es so aus, als sei die Ära von Lucky Luke 55 Jahre nach seinem ersten Auftritt vorbei. Würde je ein anderer Zeichner die Figuren so lebendig und schwungvoll aufs Papier bringen können wie der Belgier Morris, der mit bürgerlichem Namen Maurice de Bévère hieß und seine Figur bis zuletzt in rund 90 Abenteuergeschichten belebte?

Da empfahl sich der passionierte Lucky-Luke-Fan Achdé als Nachfolger. Mit einer Morris-Hommage zeigte er, dass er den Strich und den Schwung seines Vorbilds meisterhaft zu imitieren und fortzuentwickeln weiß – wie der 49-jährige Franzose auch beim Treffen mit dem Tagesspiegel mit beachtlicher Lässigkeit demonstriert. „Das Schwierigste ist nicht der Strich, das Schwierigste ist, den richtigen Geist der Serie zu treffen“, sagt Achdé, während er das Bild vollendet. Seinen ersten Lucky-Luke-Band las Achdé, der bürgerlich Hervé Darmenton heißt, als er fünf war: „Ich liebte die dynamischen Zeichnungen und die verrückte Geschichte sofort.“ Er begann, den Strich des Zeichners zu imitieren, wie auch die Stile anderer Vorbilder wie Albert Uderzo („Asterix“) und André Franquin („Gaston“). Als seine Mutter starb, fand er im Nachlass eine Kiste voller Zeichnungen, die er als Kind angefertigt hatte: Bereits mit drei Jahren skizzierte er seine Mutter beim Kartoffelschälen, umrankt von wuchernden Kartofellschalspiralen. Früher dürfte kaum jemand den Weg als humoristischer Zeichner eingeschlagen haben.

Lucky-Luke-Fan seit Kindertagen: Zeichner Achdé bei seinem Berlinbesuch.
Lucky-Luke-Fan seit Kindertagen: Zeichner Achdé bei seinem Berlinbesuch.
© Paul Zinken

Der jetzt erschienene neue Band „Lucky Luke gegen Pinkerton“ (Ehapa, 46 Seiten, 5,95 Euro, Hardcover 10 Euro), den Achdé mit den in Frankreich weit über die Comicszene hinaus geschätzten Autoren Daniel Pennac und Tonino Benacquista geschaffen hat, treibt ein selbstironisches Spiel mit dem Mythos. Lucky Luke zeigt zwar äußerlich keine Spuren der Zeit, aber was die Verbrechensbekämpfung angeht, gehört er zum alten Eisen. Das führt ihm der einer historischen Figur nachempfundene Detektiv Alan Pinkerton vor Augen, der mit modernsten Methoden arbeitet. Dabei baut er eine Art privater Geheimdienst mit Söldnertruppe auf und verwandelt den Wilden Westen in einen paranoiden Schnüffelstaat, was man durchaus als Satire auf die westliche Sicherheitspolitik nach 2001 verstehen darf, wie Achdé sagt. Als Gerüchte über ein Attentat auf Präsident Lincoln die Runde machen, überschlagen sich die Ereignisse wie in einer Screwball-Komödie, bevor Lucky Luke wie immer im letzten Bild in die untergehende Sonne reiten kann, auf den Lippen das alte Lied: „I'm a poor lonesome cowboy, and a long way from home…“

Teamwork: Das neue Album „Lucky Luke gegen Pinkerton“ schuf Achdé zusammen mit den Autoren Daniel Pennac und Tonino Benacquista.
Teamwork: Das neue Album „Lucky Luke gegen Pinkerton“ schuf Achdé zusammen mit den Autoren Daniel Pennac und Tonino Benacquista.
© Ehapa

Zeichnerisch erweist sich Achdé mit dem neuen Band ein weiteres Mal als würdiger Nachlassverwalter des großen Morris, dessen beste Werke zusammen mit Asterix-Szenarist René Goscinny entstanden. „Dieses Erbe fortzusetzen, ist eine enorme Freude, aber auch eine große Bürde“, sagt Achdé. Einerseits verdiene er jetzt mit dem, was seit Kindertagen sein Traum gewesen sei, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Andererseits sei es ungeheuer schwierig, immer die richtige Stimmung zu finden. Es sei ein Balanceakt, dem Vorbild treu zu bleiben und dennoch dem Ganzen eine neue, frische Anmutung zu geben, zum Beispiel durch dezent eingesetzte ungewöhnliche Perspektiven. Aber das fällt den meisten Lesern kaum auf, und so will es Achdé auch: „Die größte Freude machen mir Menschen, die sagen: Man sieht ja gar keinen Unterschied zu Morris.“

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