Donizettis "Betly" im Konzerthaus: In Appenzell verliebt man sich schnell
Felix Krieger gräbt mit der Berliner Operngruppe Donizettis Alpenromanze „Betly“ aus.
Eine junge Frau, die ganz allein in einer Berghütte wohnt und ihre Freiheit so sehr liebt, dass sie gar nicht daran denkt, sich unters Joch der Ehe zu begeben – so eine Geschichte konnte 1836 auf keinen Fall in Neapel spielen. Sondern nur an einem sehr exotischen Ort, in der Schweiz zum Beispiel. Von den Höhen der Appenzeller Berge blickt die eingefleischte Junggesellin hinab auf die Männerwelt in Gaetano Donizettis „Betly“. Aber natürlich steht im Libretto der opera buffa ein wackerer Bariton-Bruder bereit, der die vom rechten Weg abgekommene Sopranistin mit einem hinterhältigen Trick in die Arme des heiratswilligen Tenors treiben wird. Auf der Alm, da gibt’s vielleicht ka Sünd – aber amore! Aber gefälligst mit Trauschein.
Fünf Werke von Donizetti werden heute noch regelmäßig aufgeführt, „Don Pasquale“ und „L’elisir d’amore“, „Anna Bolena“, „Lucia di Lammermoor“ und „La Fille du Régiment“. Wer sich besonders für Belcanto interessiert, hat vielleicht noch von seiner „Imelda de Lambertazzi“ gehört, von „Emma di Liverpool“ oder „Gabriella di Vergy“ – aber „Betly“? Unter den 74 Opern Donizettis dürfte der heitere Zweiakter zu den am gründlichsten vergessenen gehören. Was das Verlagshaus Ricordi nicht davon abgehalten hat, eine historisch-kritische Partiturausgabe zu erstellen, die nun im Konzerthaus ihre Erstaufführung erlebte. Mit der Berliner Operngruppe, jenem vom Dirigenten Felix Krieger ins Leben gerufenen Ensemble, bei dem Profis und Liebhaber seit 2010 alljährlich gemeinsam eine Musiktheater-Rarität ausgraben.
Dass Donizetti ein erfahrener Komponist war, als er „Betly“ schrieb, hört man dem Werk an. Alles scheint mit leichter Hand hingeworfen zu sein – und bietet doch so manche harmonische Pikanterie, manches interessante Instrumentationsdetail. Und wenn Donizetti dem Chor der Bergbauern eine barocke Floskel in den Streichern voranstellt, dann ist das eine feine musikalische Pointe: Hört her, wie hinterwäldlerisch die sind!
Felix Krieger hat in drei intensiven Probenwochenenden wieder ganze Arbeit geleistet. Das altersmäßig sehr gemischte Orchester musiziert mit Verve und Stilgefühl, sicher und klangschön lässt sich der von Steffen Schubert vorbereitete Chor hören – und hat zudem großen Spaß, in Isabel Ostermanns szenischem Arrangement mitzuspielen, listige Landfrauen zu mimen oder betrunkene Soldaten.
Laura Giordano ist eine bezaubernde Betly, die mit graziöser Natürlichkeit ihre Koloraturen trällert, Bruno Taddia gibt ihren Bruder Max mit kernigem Bariton und toller Bühnenpräsenz. Und Adrian Strooper, erst fünf Tage vor der Aufführung für einen erkrankten Kollegen eingesprungen, strahlt sich mit dem Klavierauszug in der Hand charmant durch die Tenorpartie. Frederik Hanssen