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Üppiges Aufgebot. Auch bei der 21. Auflage der Festlichen Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung gelang es den Veranstaltern, junge Stimmen mit viel künstlerischem Herzblut zu verpflichten. Zum Finale stimmten sie gemeinsam John Lennons „Imagine“ an.
© Brauer Photos

Die 21. Festliche Operngala: In allen Lebenslagen

Von Verführern, schönen Frauen und bösen Onkels: Max Raabe präsentierte ein Programm mit elf Gesangssolisten.

Üppige Blütenpracht in fröhlichen, frühlingshaften Farben schmückt die Bühnenrampe der Deutschen Oper. Das passt zum bunten Arien-Strauß, der hier geboten wird. Potpourri nennt man so ein Programm, was sich wortwörtlich aus dem Französischen als „verwelkter Blumentopf“ übersetzen lässt. Und in der Tat können musikalische Best-of-Abende leicht eine fade Note bekommen. Dank junger Stimmen und viel künstlerischem Herzblut ist das am Sonnabend in der Deutschen Oper allerdings nicht der Fall. Und auch dank Donald Runnicles, dem Generalmusikdirektor des Hauses, der die Festliche Operngala der Deutschen Aids-Stiftung zur Chefsache erklärt hat.

Michail Glinkas „Ruslan und Ludmila“ von 1842 hat er sich als Eröffnungsstück ausgesucht. Und gibt gleich mächtig Tempo vor: Das bestens aufgelegte Orchester meistert diesen Glinka-Sprint aber ebenso souverän, wie es anschließend bei den Arien stets den angemessen-authentischen Ton trifft, sei es für deutsche Romantik oder französische Lyrismen, lodernde Verdi-Leidenschaft oder Belcanto-Eleganz.

Gleich mit der ersten Nummer tun sich seelische Abgründe auf, wenn Günther Groissböck die Hasstiraden des Bösewichts Caspar aus dem „Freischütz“ herausschleudert. Lucrezia Garcia steuert mit dem Gebet der Leonora aus „La Forza del Destino“ dagegen, bevor sich Saimir Pirgu als Charles Gounods Roméo in Sehnsucht nach seiner Juliette verzehrt.

"Schießen lernen, Freunde treffen"

Absurd konstruierte Opernhandlungen in wenigen ironisierenden Worten zusammenzufassen, das hat Max Raabe von Loriot gelernt, der bei so vielen Operngalas der Aids-Stiftung für entspannte Stimmung sorgte. Beim „Freischütz“ zitiert Raabe am Sonnabend das unfreiwillig doppeldeutige Motto der Sportschützen: „Schießen lernen, Freunde treffen“. Er lobt die Art, wie Don Giovanni auf seinen transnationalen Beutezügen die Idee der europäischen Vereinigung lebt – und eröffnet mit der Beobachtung, dass die Figur des Onkels in der Oper überproportional häufig Auslöser aller melodramatischen Verwicklungen ist, sogar ein neues theaterwissenschaftliches Forschungsfeld.

Zum sechsten Mal schon moderiert der Palastorchester-Chef das Event in der Deutschen Oper. Diesmal jedoch wirkt er übernervös, bekommt kaum einen Sängernamen fehlerfrei über die Lippen. Beim Duo Venera Gimadieva und Jacques Imbrailo muss er mehrfach nachbessern. Die beiden interpretieren jene Szene aus dem „Don Giovanni“, in der Zerlina dem Charme des Frauenvernaschers erliegt. Beide haben angenehme, ja verführerische Stimmen. Nur leider ist da gar kein Knistern. Wie die Ölgötzen stehen sie nebeneinander, als verstünden sie kein ein einziges Librettowort.

Von anderem emotionalen Kaliber ist da Angel Blue: Furchtlos stürzt sich die Kalifornierin in die Arie der Elvira aus Verdis Frühwerk „Ernani“, erzählt von der Leidenschaft einer grenzenlos Liebenden – und führt dabei ihre Riesenstimme mit staunenswerter Mühelosigkeit durch die höchsten vokalen Regionen. Von dieser Sopranistin wird man noch hören.

Mutig zeigt sich Alfred Kim

Immer wieder konnten die Veranstalter der Festlichen Operngala in den letzten Jahren Solisten gewinnen, die kurz vor ihrem internationalen Durchbruch standen. Rolando Villazon war 2004 in der Deutschen Oper dabei – ein Jahr bevor er durch die Salzburger „Traviata“ zum Weltstar wurde. Und auch Simone Kermes war bei ihrem ersten Gala-Auftritt 2009 noch ein Geheimtipp.

So verhält es sich ebenfalls mit der französischen Mezzosopranistin Marianne Crebassa, die am Sonnabend das Publikum mit einer vollendet gestalteten Kavatine aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ erobert. Steil nach oben zeigt die Karrierekurve derzeit auch bei Olga Peretyatko: Ihre Bühnenpräsenz, ihre Koloraturvirtuosität und ein gen Paris gesandtes „Salut à la France“ aus Donizettis „Fille du régiment“ bringen den Saal zum Jubeln.

Mutig zeigt sich Alfred Kim, der mit dem WM-Hit „Vincerò“ ein Stück singt, das wirklich jeder im Saal kennt. Gewagt, gewonnen: Weil aber sein Tenor den richtigen Peng für Puccini hat, heimst er zu Recht den längsten Applaus ein. Kristina Mkhitaryan (mit einem soubrettigen „Il bacio“ von Arditti) und Ekaterina Semenchuk (angemessen lasziv als Saint-Saens’ Dalila) vervollständigen den Reigen der Solisten, die sich zum Finale in einem filmmusikhaften Arrangement von John Lennons „Imagine“ vereinigen. Das passt zwar bestens zum Anlass, hätte aber ruhig noch ein wenig intensiver geprobt werden dürfen.

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