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Frei von der Leber weg. Monika Zimmermann schreibt von bunten Vögeln und hohen Tieren.
© BPC/Mosch

Zeitung im Salon am 6. Oktober: Immer unter Leuten

Sie belauschte Erich Honecker und traf Helmut Kohl zu Kaffee und Kuchen: Monika Zimmermann, Ex-Chefredakteurin des Tagesspiegels, stellt ihr Buch "Unter lauter Leuten" im Salon vor.

Ihre größte Sorge, sagt Monika Zimmermann, sei gewesen: dass jemand beleidigt ist. Übel nimmt. Womöglich Klage einreicht! Denn das kann ja leicht passieren, wenn eine Journalistin und Regierungssprecherin sich nach einem jahrzehntelangen Berufsleben vornimmt, mal frei von der Leber weg zu erzählen, was sie so erlebt hat mit den Großen dieses Landes. Fast alle, die politisch und in der Medienwelt eine Rolle spielen, hat die ehemalige FAZ-Redakteurin und Tagesspiegel-Chefredakteurin kennengelernt, viele in privaten Situationen. Aber nun ist ihr Buch „Unter lauter Leuten“ schon seit einigen Monaten veröffentlicht, und noch hat sich keiner der Porträtierten beschwert. Also: Aufatmen!

Die Idee, ein Buch über ihre Begegnungen etwa mit Johannes Rau, Günter Grass, Alfred Neven du Mont, Edmund Stoiber, Elisabeth Noelle-Neumann, Joachim Gauck, Marcel Reich-Ranicki oder Christo und Jeanne Claude zu schreiben, kam ihr, als sie nach vier Jahrzehnten ihr Angestelltendasein beendete. „Ich habe mich gefragt, was eigentlich bleibt nach all dieser Zeit, ob’s die Plackerei wert war. Und dann dachte ich: Was bleibt, sind die interessanten Begegnungen mit Menschen. Wäre doch schade, wenn das alles vergessen würde.“

"Ich stellte mich frech neben Honecker"

Sie machte eine Namensliste und schrieb los – und schrieb dabei, wie sie feststellte, auch ihr eigenes Leben auf. Denn jeder der Porträtierten steht für eine Phase ihres Lebens, steht aber auch für ein allgemeines Thema der jüngeren deutschen Geschichte, seien es die 50er Jahre in Westdeutschland, die DDR der achtziger Jahre, die Wende, Wiedervereinigung oder die Umbrüche im Zeitungswesen. Dabei erzählt sie immer ehrlich, direkt, schnörkellos und ohne Wichtigtuerei. „Ich habe nicht den Anspruch, ganze Lebensleistungen zu würdigen. Ich möchte Anekdoten erzählen.“ Die Lektüre wird so zu einem unterhaltsamen Gang durch die Zeitgeschichte, bei dem man immer wieder auf alte Bekannte trifft. Etwa auf Erich Honecker, den Monika Zimmermann einmal bei einem Empfang belauschte: „Ich schlich mich hinterher, stellte mich einfach frech neben Honecker und tat, als gehörte ich dazu. Niemand hinderte mich, niemand fragte mich, was ich in dem streng abgeschirmten Raum zu suchen hätte.“

Es war ihr, wie sie schreibt, „nicht an der Wiege gesungen“, dass sie einst mit Präsidenten und Bundeskanzlern verkehren würde. Zimmermann stammt vom Dorf, aus dem niedersächsischen Wagenfeld, und das erste Porträt im Band gilt dann auch ihrem Cousin Eckard, der sie einmal vor dem Ertrinken rettete.

"Marcel Reich-Ranicki langweilte sich schnell"

Doch schon früh entwickelt sie berufliche Ambitionen: Sie geht zum „Göttinger Tageblatt“ und als Redakteurin zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, wo sie Marcel Reich-Ranicki kennenlernt. „Die Unterhaltung mit Reich-Ranicki war leicht, vorausgesetzt man konnte intelligent zuhören und verfiel nicht auf die abstruse Idee, von sich selbst erzählen zu wollen. Dann konnte der Abend schnell beendet sein, weil Reich-Ranicki sich zu langweilen begann.“

Zimmermann wird DDR-Korrespondentin und zieht dafür 1987 nach Ost-Berlin, statt wie andere Kollegen vom Westen aus zu berichten. Nach der Wende wird sie Chefredakteurin des ehemaligen Zentralorgans der Ost-CDU „Neue Zeit“. Als die Zeitung 1994 eingestellt wird, wechselt Zimmermann als eine von drei Chefredakteuren zum Tagesspiegel. Es folgen Stationen bei der „Mitteldeutschen Zeitung“ und dem „Münchner Merkur“, als Regierungssprecherin von Sachsen-Anhalt und in der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen.

Unter 57 Porträtierten nur sechs Frauen

Wenn Monika Zimmermann ihr Buch am 6. Oktober im Tagesspiegel-Salon vorstellt, wird einer moderieren, der selbst im Buch vorkommt: Lorenz Maroldt. Der Chefredakteur des Tagesspiegels hat seine Karriere nämlich als Praktikant bei der „Neuen Zeit“ begonnen. Über ihn schreibt sie: „Kurz nach der Wende stand in der Redaktion der ,Neuen Zeit‘ plötzlich ein schlaksiger junger Mann vor mir und zwang mich, zu ihm hinaufzublicken – eine Haltung, die vorerst nur seiner Körpergröße geschuldet war. Das sollte sich im Verlaufe der Zusammenarbeit ändern. Lorenz Maroldt wurde so etwas wie eine moralische Instanz der Lokalredaktion.“

Und, liebe Frau Zimmermann, warum sind unter den 57 Porträtierten nur ganze sechs Frauen? Sind Frauen weniger interessant? Kurzes Zögern – und dann frei von der Leber weg, wie immer: Sie habe selbst von Kind auf mehr mit Jungs und Männern zu tun gehabt. „Mir ist immer klar gewesen, dass ich mich in einer Männergesellschaft durchsetzen muss.“ Sie gehöre halt einer Generation an, in der es viel mehr mächtige Männer als Frauen gibt.

Angela Merkel ist natürlich im Buch vertreten. Zimmermann erlebte sie zum ersten Mal im April 1990, als die neue stellvertretende Regierungssprecherin zunächst unbeholfen eine Pressekonferenz leitete. „Die kann das ja gar nicht!“, dachte Zimmermann. Später erlebte sie Angela Merkel noch oft ganz anders. Und ihr Merkel-Porträt endet mit dem Satz: „Wie man sich doch täuschen kann!“

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Mitmachen können Sie unter www.tagesspiegel.de/gewinnen, oder Sie schreiben eine Postkarte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, Stichwort „Salon“, bis zum 26. September.

Zeitung im Salon mit Monika Zimmermann, Donnerstag, 6. Oktober, Beginn 19 Uhr. Eintritt inkl. Sekt und Snack 18 Euro, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, Anmeldung hier.

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