Die Toten Hosen: Immer in Bewegung bleiben: Die Toten Hosen in Tempelhof
Gut in Form beim Auswärtsspiel: Die Toten Hosen geben ein sportliches Konzert auf dem Flughafen Tempelhof.
Etwa 50 000 sind gekommen, um auf dem betonierten Vorfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof die Toten Hosen zu hören. Lau angewärmt wird der abgekühlte Sommervorabend zunächst von den Düsseldorfer Broilers und dem Chemnitzer Kraftklub. Netter Auftakt.
Um Viertel vor neun hallt der „Blitzkrieg Bop“ der Ramones aus den Boxen, ein Stadionchor Liverpooler Fußballfans „You’ll Never Walk Alone“ und „Drei Kreuze, dass wir hier sind“, ein Instrumental der Toten Hosen von ihrem jüngsten Album „Ballast der Republik“, das sich anhört wie Filmmusik. Womit das ganze Spektrum der Düsseldorfer Band schon einmal umkreist wäre: Punkenergie, Stadionmitsingrock und dramatisches Pathos.
Da kommen die Musiker angehüpft und brettern los. Wieseln und wuseln auf der mächtigen Bühne, schwere Breitseite, guter Sound. Knackige Licks vom langen Michael „Breiti“ Breitkopf und vom Linkshändergitarristen Andreas „Kuddel“ von Holst. Vom Ritchie drischt in die Drums und Andreas „Campino“ Frege jaggert hin und her. Über die volle Bühnenlänge, -breite, -tiefe. Vorwärts, rückwärts, seitwärts. Er singt sich die Seele aus dem durchtrainierten Leib: „Auswärtsspiel“. „Du lebst nur einmal“. „Das ist der Moment“. Der 51-Jährige stromert und strummert mit dem Mikrostativ zwischen den Mitstreitern herum. Auch die rennen unentwegt, alles ist in ständiger Bewegung. Zwischen alten und neuen Songs, das volle Programm: „Alles, was war“. „Heute hier, morgen dort“, den alten Gassenhauer von Hannes Wader rattern sie in rasender Geschwindigkeit herunter.
Andreas Meurer knattert auf dem Bass, der ihm vor den Knien hängt. Man muss an den schönen Bassistenwitz denken: „Ich hab gehört, du nimmst jetzt Bassunterricht?“ – „Ja, in der ersten Woche hab ich gelernt, auf der E-Seite zu spielen, in der zweiten Woche war die A-Saite dran, in der nächsten dann das D“ – „Und in der vierten das G?“ – „Nein, da ist der Unterricht ausgefallen, da hatte ich einen Auftritt!“ So ähnlich war es auch bei Andi, allerdings konnte er in der Anfangszeit der Band nur auf zwei Saiten spielen. Als er besser wurde, hat ihm die Firma ESP einen speziellen Dreisaiter angefertigt.
Campino springt mit nacktem Oberkörper herum
Und weil auch die anderen Hosen zu Beginn noch nicht so versiert waren an den Instrumenten, spielten sie Punk. Mit einfachsten Mitteln. Drei Akkorde, bumm-bumm-bumm, drei Basssaiten, peng-peng-peng. Jede Menge Spaß und Energie. Und sicher auch eine Menge Fleiß. Denn heute sind die Toten Hosen richtig gute Musiker, aber das wäre ja auch gelacht, nach inzwischen über 30 Jahren. Wie auch ihre einstigen Erzfeinde Die Ärzte, die einen Tag nach ihnen an gleicher Stelle auftreten, haben sie es geschafft, mit unzähligen Auftritten und Plattenveröffentlichungen, ganz nach oben zu kommen, die größten Arenen und Stadien zu füllen. Und jetzt eben auch das riesige Vorfeld des Tempelhofer Flughafens, wo hinter der ehemaligen Abfertigungshalle malerisches Abendrot den Himmel und die Stimmung färbt. „Ein guter Tag zum Fliegen“.
Punk ist das natürlich nicht mehr, eher Stadionrock mit entsprechender Dramaturgie und Mitsing-Pathos. Was wiederum alle Punkgebliebenen den Toten Hosen schwer übel nehmen. Doch die Kraft und Energie des Auftritts hat sich immer noch etwas bewahrt vom Ungestüm der Punk-Ära und vom Einfluss der großen Vorbilder The Clash. Der Spaß, den sie ihren Fans auch bei diesem Konzert wieder bereiten, ist geradezu rührend. Wobei die Toten Hosen in Sachen Showeffekte auch einiges auffahren: Sie lassen Konfetti herabregnet, brennen bengalische Feuer ab und tauchen zur ersten Zugabenrunde plötzlich auf einer kleinen Bühne mitten im Publikumsmeer auf, wo sie noch mal mit ihrem 30 Jahre alten Song „Opel Gang“ durchstarten. Dazu der „Bofrost Mann“ und eine rasante Version von „Hang On Sloopy“ der McCoys .
Und noch einmal zurück ins gleißende Licht der Hauptbühne. „I’m far, far away, with my head up in the clouds, and I’m far, far away, with my feet down in the crowds“, singt Campino die tolle alte Slade-Nummer. Hatte man dieser Tage noch gedacht, dass der Einzige, dem man einen Auftritt mit nacktem Oberkörper durchgehen ließe, Iggy Pop wäre – nein, Campino darf das auch. Und mit dem gemeinsamen Absingen von „You’ll Never Walk Alone“ endet nach über zwei Stunden ein fetziges Konzert. Man konnte es bis nach Kreuzberg hören.
H.P. Daniels
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