Kultur: Im Ziegelkabinett
Peter Zumthors Diozösanmuseum St. Kolumba in Köln wird heute eingeweiht. Das Kulturmuseum steht auf historischem Grund
Wer in Köln in die Erde gräbt, stößt auf Geschichte. Römische Überreste, mittelalterliche Fundamente, Ruinen des Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg. So auch bei St. Kolumba, einer der größten Pfarreien des mittelalterlichen Köln. Unter den Ruinen der kriegszerstörten Basilika aus dem 15. Jahrhundert, von der nur noch Seitenwände und Säulenfundamente stehengeblieben sind, fanden sich: römische Wohnbebauung, die Apsis eines fränkischen Hauses, eine karolingische Saalkirche sowie eine dreischiffige romanische Kirche. Zudem hatte der rheinische Kirchenbaumeister Gottfried Böhm 1957 eine oktogonale Kapelle rund um eine unversehrt in den Ruinen aufgefundene spätgotische Madonna gebaut: Die von der Bevölkerung verehrte "Madonna in den Trümmern".
Ein unmöglicher Baugrund also für das neue Diozösanmuseum. Und gleichzeitig: ein ideales Zeichen für die Kontinuität zwischen Geschichte und Gegenwart, die die katholische Kirche so gern betont. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor hat mit seinem Museumsneubau, der nach zehn Jahren Bauzeit heute eingeweiht wird, eine ebenso gewagte wie geniale Lösung gefunden: brutal und sensibel, respektvoll und monumental. Madonnen-Kapelle und archäologische Ausgrabungsstätte hat er mit einer gewaltigen Halle überbaut, die direkt auf der Ruine aufruht. Und darüber, zwei Etagen in den Himmel ragend, ein Museum für die Kunstsammlung des Erzbistums Köln gelegt. Eine feste Burg - und eine Verneigung vor Geschichte und Zerstörung.
Und eine handwerkliche Meisterleistung. Um die kriegsversehrten Mauern nicht zu sehr zu belasten, wählte Zumthor für den neuen Wandaufbau traditionelles Ziegelmauerwerk, das in drei horizontalen Streifen durch Filtermauerwerk durchbrochen ist. Das Gebäude ruht auf Stahlstützen, die durch die Pfeiler der gotischen Kirche hindurchgebohrt und auf dem alten Fundament gegründet sind. Der Eindruck von außen ist monumental: eine geschlossene Wand, die nur durch die Lichtmosaike der Mauern aufgelockert wird. Der dänische Ziegel, genannt "Kolumba-Stein", mit breiten Lagerfugen vermauert, um flexibel an die vorhandenen Mauerkanten anschließen zu können, wirkt, weil von Hand geformt, unregelmäßig-bewegt, leuchtet in warmem Grau, changiert in Gelb und Rot und lässt die brandgeschwärzten Spitzbögen der gotischen Kirche hervortreten.
Im Innern hat der Raum sakrale Qualitäten. Die gewaltige Halle über den archäologischen Funden bekommt ihr Licht durch das Filtermauerwerk, auch Luft und Straßenlärm dringt herein, Baumgrün und Blitze vom Sonnenlicht. Schmale Pfeiler gliedern den Raum und deuten den Verlauf der darüber liegenden Museumsräume an. Wenn es still ist, tönt leises Taubengurren durch die Halle: Bill Fontana hatte 1994 drei Tage und Nächte die Geräusche der in den Ruinen lebenden Tiere aufgezeichnet. Nur dass die Gottesdienstbesucher der Madonnen-Kapelle, die von Zumthor komplett überbaut wurde, sich über die Verschlechterung der Lichtverhältnisse beschweren, leuchtet ein: Das von Ewald Mataré und Georg Meistermann ausgestaltete Oktogon rund um die gotische Madonna hat dafür den Charakter eines Tabernakels bekommen.
Das eigentliche Diozösanmuseum, das sich, von der Seitenstraße her zugänglich, neben und über der Kirchenruine erstreckt, ist in feinsten Grautönen gehalten. Kein "lichtdurchflutetes Museum" hatte Peter Zumthor nach eigenem Bekunden bauen wollen, sondern ein "Licht- und Schattenmuseum, das auch das Zwielicht kennt". Riesige quadratische Seitenfenster lassen Tageslicht ein und geben Blicke frei: auf Dom, Minonitenkirche und die typische 50er-Jahre-Wohnbebauung der Kölner Innenstadt. Gewachsene, zerstörte und wieder überbaute Stadtstrukturen, wie sie auch den Baugrund von Kolumba bestimmen.
Zumthors Bau ein Fest der Materialien: heftig gemasertes Mahagoni im Lesezimmer, glänzende Terrazzo-Böden in den Haupträumen, rauer Mörtel oder samtweich schimmernder Lehmputz an den Wänden, Lederbänke, und vor den Panoramafenstern schimmernd-graue Seidenvorhänge. Ein Nuancenspiel, das sich von Minute zu Minute, von Wolke zu Wolke, verändert. Allein das Raumerlebnis lohnt den Besuch. Und lässt doch genügend Platz für die hauseigene Sammlung: rheinische Madonnen und schimmernde Monstranzen, kombiniert mit Gegenwartskunst von Jannis Kounellis, Rebecca Horn, Gerhard Altenbourg, Andy Warhol. Keine Chronologie, keine Didaktik, keine Beschilderung: Man möge sich mit der Kunst erst über die Sinne, dann über den Verstand auseinandersetzen, wünscht sich das Museumsteam. Generalvikar Dominik Schwaderlapp hofft, über den 43,4 Millionen Euro teuren Bau Menschen zu erreichen, die nicht in die Kirche gehen. Unter Architekturfans dürfte dies bestimmt gelingen.
Kolumbastraße, Köln. Geöffnet ab 15. September täglich, außer dienstags.
Christina Tilmann