KLASSIK-CD der Woche: Im Strom der Jahrhunderte
Der israelische Dirigent und Pianist David Greilsammer verbindet Sonaten von Scarlatti und Cage
Dass Zeit eigentlich ein Fluss ist, merken wir immer erst dann, wenn wir uns von ihm abgeschnitten fühlen. Leben wir fern seinem Strömen, bleibt uns nur mehr die chronografische Zeit, die alles ordentlich und öd aneinanderreiht. Musik erinnert uns daran, dass wir zum Schwimmen geboren sind. Und ab und an erscheint eine CD, die uns unmerklich durch die Jahrhunderte schleust. So eine Aufnahme ist dem israelischen Dirigenten und Pianisten David Greilsammer mit „Scarlatti: Cage: Sonatas“ gelungen.
Es mag willkürlich wirken, auf eine Auswahl aus den unglaublichen 555 erhaltenen Sonaten für Cembalo von Domenico Scarlatti acht auszuwählen und zwischen diese Werke des jungen John Cage zu platzieren. Der entdeckte in den 1940er Jahren das präparierte Klavier, aus der Not heraus. Eigentlich hätte er lieber ein Percussionsensemble für die Begleitung von Tänzern eingesetzt, aber die Bühne erwies sich als zu klein (das Budget sowieso). Also formte Cage den Konzertflügel um: Zwischen seine Saiten klemmte er Bolzen, Schrauben, Holz- und Plastikteile. Das Auffinden der daraus entstehenden neuen Klänge verglich Cage mit dem Sammeln von farbigen Muscheln, die am Strand unter dem Sand eingespült liegen. Und höre: Das präparierte Klavier ersetzte ein ganzes Orchester, mit Schnarren und Glucksen, Gongklang und entfesseltem Maschinenton.
Greilsammers zusammengesetzte Klaviersuite, gespielt auf zwei Instrumenten, verbindet nicht nur zwei verwandte Geister, die die Musikgeschichte zu scheiden versucht. Scarlatti, der zurückgezogene Glückspieler, komponiert sich fern seiner Heimat heraus aus dem Barock, stößt die Tür auf zu Klangkonstellationen, die erst im 20. Jahrhundert weitere Verbreitung finden werden. Cage, der spätere Zen-Klang-Meister, erscheint in seinen Sonaten als hochsensibler Befreier aus einer sich selbst in Schach haltenden Klangzucht westlich-akademischer Prägung. So pointiert wie Greilsammer das spielt, spürt man jederzeit den Geist des Experiments, der Neugier, der Überraschung. Und es kommt wunderbar in Fluss, was sonst getrennt im CD-Regal zu stehen hat. Eine Freude.
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