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Matti Salminen.
© Heikki Tuuli

RSB und Sänger Matti Salminen: Im Rausch

Marek Janowski dirigiert das RSB im Konzerthaus und beweist besonders bei den von Matti Salminen gesungenen Mussorgsky-Liedern, dass er phänomenale Klangfarben erzeugen kann.

Ein seltsames Leitmotiv steht über diesem Abend im Konzerthaus beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB): Max Reger, Modest Mussorgsky und Jean Sibelius waren dem Alkohol nicht abhold, zumeist ergeben oder gar ganz verfallen. RSB-Dramaturg Steffen Georgi stellt den Zusammenhang zwischen berauschenden Giften und rauschhafter Musik her. Aus dem Programm erschließt sich die Assoziation nicht automatisch.

Dennoch geht von den todestrunkenen Kompositionen eine starke emotionale Wirkung aus: Bleiern und kampfeslustig, bedrohlich und erleichternd wird der Gevatter porträtiert – und immer im hohläugigen Licht einer tadellosen orchestralen Transparenz. Was sich beim RSB in den letzten zehn Jahren in dieser Hinsicht entwickelt hat, beeindruckt vor allem durch die Konsequenz, mit der der Chefdirigent seine Musiker zur Nonkonformität erzogen hat. Nur noch bis zum Ende der Spielzeit bleibt Marek Janowski. Ein herber Verlust. Wenn er vor sein Orchester tritt, wirkt das wie eine klare, verbindliche Verabredung, ein Einigsein ohne kleistrige Harmonie. Janowskis Produktivität hat das RSB runderneuert, seinen Klang nicht unverwechselbar, aber wiedererkennbar geprägt. Die Herrschaften verstehen sich.

Was nicht heißt, dass man über Janowskis Interpretationen wie etwa die von Sibelius’ deutlich entschlackter Vierter nicht streiten könnte. Dass man nicht zweifeln könnte, ob die Orchesterfassung der Mussorgsky-Lieder von Kalevi Aho die richtige ist, denn Weltbass Matti Salminens deklamatorischer Genius wird davon nur allzu leicht überdeckt. Aber Janowski kann Klangfarben erzeugen, die phänomenal aufeinander abgestimmt sind. Was nirgendwo mehr selbstverständlich ist, kann er garantieren: die Musik, die er macht, genau zu kennen. Kaum möglich erscheint da, was er schafft: aus Logik dann doch Rauschgift zaubern.

Christian Schmidt

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